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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kann man ja nie sagen. Zu retten ist jedenfalls nichts mehr.«
    Am Sonntag saß Dr. Büdrich in der Kirche. Pfarrer Merckel sah ihn und die junge Frau an seiner Seite. Sie war schwanger und glücklich.
    »Lasset uns Gott danken, daß wir leben …«, sagte er mit lauter Stimme. Sie dröhnte wie die Baßpfeifen der Orgel. »Lasset uns ihm danken, daß immer neues Leben entsteht. Leben voll Hoffnung, Leben eingebettet in Liebe. Wäre dem nicht so, wie elend wäre diese Welt mit dem, was sie trägt und was nicht mehr zu ändern ist …«
    Die wenigsten verstanden ihn, auch nicht die junge, glückliche, schwangere Frau. Aber Dr. Büdrich verstand ihn – er senkte den Blick und wußte, daß er einem vollendeten Schicksal gegenübersaß.
    Die Rückkehr Dr. Lindens in seine Häuslichkeit war nur von kurzer Dauer. Zwei Tage schlief er ununterbrochen. Brigitte wusch und rasierte ihn, ein Freund des Hauses, ein Internist, untersuchte ihn, zweimal waren Beamte des Ordnungsamtes da und erkundigten sich, am dritten Tag machte der Kreismedizinalrat seinen Besuch und erklärte nach langem Zögern und vielen einleitenden und höflichen Worten, die von seiner Pflicht, der Volksgesundheit im allgemeinen und der Gesundheit des Kollegen Linden im besonderen handelten, daß es nötig sei, Dr. Linden in eine Kurbehandlung zu schicken. Er sagte vornehm ›Kur‹, aber Brigitte Linden verstand ihn trotzdem.
    »Es ist völlig ausgeschlossen, daß mein Mann in die Trinkerabteilung der LHA kommt«, sagte sie steif. »Nicht wegen Professor Brosius, aber wegen der anderen Kranken, über die mein Mann noch vor Monaten seine Gutachten abgegeben hat.«
    »Die Gutachten!« Der Kreismedizinalrat wurde sehr ernst. »Es liegt in unser aller Interesse, die Krankheit Ihres Gatten anonym zu halten, wenn ich so sagen darf. Es wäre unangenehm, wenn man alle Gutachten anfechten würde. Rechtlich gäbe es da eine Handhabe …«
    »Mein Mann hat seine Gutachten immer im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gemacht. Seine Operationen waren berühmt … der … der Zusammenbruch kam ja plötzlich, unerwartet, völlig rätselhaft.«
    Der Kreisarzt nickte. Fromme Lügen sind die glaubhaftesten Wahrheiten, dachte er. Seine Informationen lauteten anders. Sie stammten zwar von Prof. Brosius, aber sie waren allem Anschein nach neutral. Danach hatte Dr. Linden schon seit zwei Jahren Persönlichkeitsveränderungen gezeigt. Vor allem vor großen Operationen sollte er Stimulantia zu sich genommen haben. Was, das wußte damals niemand. Heute war es klar. Alkohol.
    »Es kommt natürlich nur eine Privatklinik in Frage«, sagte der Kreisarzt und erhob sich. »Eine Kur in kleinem Kreis, ausgewählte Patienten aus den besten Schichten, eine Klinik fernab von allem Getriebe. Ein ehemaliger Herrensitz, mitten in weiten Feldern und Birkenwäldern, mit eigenen Teichen und eigener Landwirtschaft, Reitpferden, Tennisplätzen. Kleingolf. Sie kennen Schloß Bornfeld?«
    »Nein …«, antwortete Brigitte Linden gedehnt.
    »Es ist eine sogenannte ›Offene Anstalt‹. Klingt fürchterlich, aber Sie wissen ja, die Amtssprache ist pietätlos. Das Haus steht unter der Leitung des Diakons Hermann Weigel. Er ist Psychologe. Eine paradiesische Atmosphäre ist um Schloß Bornfeld. Neben der allgemeinen Geselligkeit wird vor allem die Arbeitstherapie groß geschrieben.« Der Kreisarzt knöpfte seinen Ulster zu. Einen schwarzen Ulster mit Samtkragen, wie ihn schon die Großväter trugen. Beamte sind nicht nur traditionsbewußt, sondern auch sparsam. Und es gibt Stoffe (wie dieser Ulster), die sind nicht kleinzukriegen.
    »Natürlich ist der Aufenthalt nicht billig … aber diese Frage scheidet ja Gott sei Dank bei dem Kollegen Linden aus. Ich würde vorschlagen, daß wir uns gleich in den nächsten Tagen Schloß Bornfeld ansehen …«
    Entgegen allen Befürchtungen setzte Dr. Linden keinen Widerstand entgegen, als drei Tage später der Kreisarzt und Brigitte ihn zu dem vor dem Haus wartenden Wagen begleiteten. Im Gegenteil … er war charmant und plauderte in der nonchalanten Art, mit der er die Salons und die Herzen der Frauen erobert hatte. Er erzählte, als handle es sich um ein besonders fröhliches Reiseerlebnis, von seinen Kumpanen im Kölner Bunker, von Emil, dem Fisch, und René, dem Kavalier, und sagte: »Bester Kollege, man soll es nicht glauben, aber die Intelligenz der Gosse ist menschennäher als die Philosophie des Katheders. Was wissen wir vom Menschen? Es heißt immer, wir Ärzte

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