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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht so leichtsinnig mit dem Begriff Freund umgehen, Pfarrer. Sie wissen doch – es gibt keine Freunde. Es gibt nur Annäherungen auf Zeit, weiter nichts.«
    »Und meine Zeit ist abgelaufen, nicht wahr?«
    »Ja!«
    »Ich danke Ihnen, Doktor, daß Sie so ehrlich sind. Wie lange noch?«
    »Vielleicht zwei Stunden. Dann verlieren Sie das Bewußtsein.«
    »Zwei Stunden.« Pfarrer Merckel sah an die weiße Saaldecke und auf den noch nicht eingeschalteten riesigen Operationsscheinwerfer. »Das ist lang, Doktor. Zwei Stunden warten auf Gott und sein Gericht … das sind zweitausend Jahre! Früher haben wir die Stunden weggeschmissen. Da sah man auf die Uhr und sagte sich: Endlich wieder Abend. Der Tag ist 'rum! Hinein in die Filzpantoffeln, sich gemütlich zurechtgesetzt in den Armsessel, eine Pulle neben sich, die Tageszeitung – so läßt sich's leben!« Merckel atmete auf. Danach mußte er schlucken, hustete und spuckte Blut. Linden tupfte ihm den Auswurf von Kinn und Brust und legte seine kühle Hand beruhigend auf die schweißnasse Stirn des Pfarrers.
    »Zwei Stunden«, keuchte Merckel mühsam. »Ich war immer ein mutiger Mensch, Linden! Aber vor diesen zwei Stunden habe ich Angst.«
    »Sie sollten weniger sprechen, Pfarrer. Sie wissen, daß an Ihrer Speiseröhre Venenknoten geplatzt sind und Sie nach innen bluten?«
    »Ja. Mein Magen ist voll, als hätte ich zehn Liter Bier gesoffen.« Merckels Stimme wurde wieder klarer. Er faßte Lindens Hand und hielt sie wie in einer Klammer fest. »Ich habe nie gewußt, daß Ungläubige so gottesnah sein können. Manchmal irrt auch Gott. Zum Beispiel an Ihnen hat er sich geirrt. Sie glauben doch nicht an Gott, Linden?«
    »Doch!«
    »Doch? Sie habe es immer geleugnet!«
    »Ich glaube an einen Gott, der sich manifestiert in allem, was wir sehen. In einem Baum, in einem Grashalm, im Sternenhimmel, im Wind und im Meer. Daß aus einer unansehnlichen Knolle einmal herrliche Dahlien werden können – das ist Gott! Daß aus einer winzigen Eizelle und einem kaum sichtbaren Spermafaden Sie und ich geworden sind – das ist Gott! Wir sind von Wundern umgeben, täglich, nur sehen wir sie nicht, weil sie zu simpel sind und zur Gewohnheit wurden. Eine keimende Kartoffel im dunklen Keller … Man reißt die Keime ab und schält sie. Und doch – welches Wunder vollzog sich da, welch ungeheure Lebenskraft brach auf. Für mich ist überall Gott … nur in einem nicht: In der von frommen Märchen und lapidaren Hymnen durchsetzten Predigt in der Kirche. Ich habe Sie nie auf der Kanzel gehört, Pfarrer, aber ich weiß, daß auch Sie nie die Blüte einer Blume hochgehoben haben und zu Ihren Gläubigen sagten: Seht sie euch an – jetzt blickt ihr in ein Auge Gottes!«
    »Sie sind ein Ketzer, Linden. Ein gefährlicher Ketzer. Aber ich weiß: Gott wird Sie lieben!« Merckel reckte sich unter den grünen Abdecktüchern. »Wieder eine Viertelstunde herum. So geht es besser, Doktor! Unterhalten wir uns.« Sein Gesicht verzog sich etwas, er lachte unter der Qual beginnender Schmerzen. »Ich bin ein Priester, was? Ich verstecke mich jetzt sogar vor der Reue!« Er drehte den Kopf etwas zur Seite und betrachtete die operationsbereiten Ärzte und das Schwesternteam. »Sie stehen da, als wollten Sie mir ans Leder, Linden.«
    »Sie werden auch gleich narkotisiert.«
    »Und dann?«
    »Dann schneide ich Ihnen den Hals auf, und wenn es sein muß, mache ich sogar eine Thorakotomie!«
    »Wozu denn? Ich bin nicht mehr zu retten.« Merckel ergriff wieder die Hand Lindens. »Ich bin kein Arzt. Ich habe immer nur die Seelen beharkt. Ich gleiche da mehr einem Gärtner, der in einem Mistbeet zarte Pflänzchen zieht. Aber meine Leber kann ich fühlen, ich weiß, wo sie sitzt. Und da ist keine Leber mehr, sondern ein Stein. Sie sind ein Genie, Linden. Wissen Sie, daß Sie ein Genie sind? Ich sage es Ihnen jetzt offen ins Gesicht, gewissermaßen als Abschied. Genial sein ist etwas Fürchterliches. Man steht außerhalb der menschlichen Vorstellungskraft. Man ist ein Wundertier, ein Heiliger oder ein Verrückter. Was man auch tut, es wird immer unter diesen Aspekten betrachtet. Selbst wenn Sie normal leben, normaler als jeder biedere Bürger, wird es heißen: Sieh dir den an! Er lebt wie wir! Ist das nicht verrückt? Ein Genie ist eine Träne Gottes. Ich bedaure Sie, Doktor Linden.«
    Dr. Linden sah kurz hinüber zu Dr. Krüger. Die OP-Schwester rollte den Instrumentenwagen heran, aus einer anderen Ecke fuhr ein

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