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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Linden aus seiner Trunkenheit. Er war gebadet, roch nach Sandelholzseife, die er bisher immer benutzt hatte, und statt einer Flasche Schnaps stand eine Flasche Mineralwasser auf dem Nachttisch neben dem unbekannten Bett.
    Mit einem Ruck fuhr Linden aus den Kissen und setzte sich auf.
    Ein Hotelzimmer, das war ihm auf den ersten Blick klar. Aber ein gutes Zimmer. Zwei Fenster, geraffte Gardinen, Übergardinen bis auf den Parkettboden, ein Orientläufer vor dem Schrank, gegenüber in der Ecke eine Polstersesselgruppe, zwei Bilder – Alpensee und balzender Auerhahn –, eine offene Tür zu einem Badezimmer. Aus dem Badezimmer hörte er Schritte … Frauenschritte. Hohe Absätze.
    Dr. Linden faßte sich an den Kopf. Fetzen der Erinnerung umflogen ihn wie Nebelschwaden. Der Bunker … Jutta … ein Mädchen, das sich kreischend die Kleider vom Leib riß … Polizeiuniformen … eine ferne Stimme: »Doktor Linden, erkennen Sie die Dame?«
    Welche Dame?
    Er schob die Beine aus dem Bett, strich das hochgerutschte Nachthemd über die Hüften und lauschte auf die klappernden Absätze im Badezimmer. Widerwillig griff er zum Mineralwasser, weil sein Gaumen wie ledern war, geätzt vom Gallensatz, den er in der Nacht immer wieder erbrochen hatte. Er trank, empfand zwar die Flüssigkeit als wohltuend, aber den Geschmack des Wassers wie Jauche, spuckte aus und ließ sich ins Bett zurückfallen.
    »Wie geht es dir, Konrad?« fragte eine sanfte Stimme.
    Dr. Linden zuckte hoch. Die Gestalt der Frau in der Badezimmertür verschwamm, drehte sich und wurde wieder klar.
    »Brigitte …«
    »Ja.«
    »Was … was machst du denn hier? Wo bin ich denn?«
    »In einem Hotel. Wie fühlst du dich?«
    »Welche Frage …« Er wandte sich ab, stieg aus dem Bett und kam sich in dem langen Nachthemd dumm und lächerlich vor. »Was willst du hier?« fragte er grob. »Wer hat dich gerufen? Wie komme ich in dieses Zimmer und in dieses Hemd?«
    »Ich habe dich gesucht, Konrad.«
    »Warum?«
    »Wie kannst du so fragen?« Sie kam langsam näher. Es war ihm, als lächle sie. Er kannte dieses Lächeln … so blickten seine Krankenschwestern, wenn sie einem Kranken sagten: Aber lieber Herr Direktor, keine Sorgen. Sie haben nur einen Schwächeanfall gehabt … Und dabei war es ein Herzinfarkt oder ein Hirnschlag, und er würde für immer linksseitig gelähmt bleiben. Das Lächeln des Mitleids und der Lüge. Das Lächeln des Betrugs. Ein Mundwinkelverziehen, hinter dem die Trauer schwamm: Du armer, armer Kerl!
    »Ich liebe dich doch …«, sagte die Stimme aus den lächelnden Lippen. Brigittes Stimme. Seine Frau!
    »Laß diese Dummheiten!« antwortete er rauh. »Du siehst, was aus mir geworden ist! Laß mich in Ruhe! Du hast Geld genug, die Villa, die Klinik – setz einen Verwalter ein! Was willst du mehr?«
    »Dich, Konrad!«
    »Ich lebe nicht mehr! Gewöhnt euch daran!«
    »Aber du bist doch da!«
    »Ich habe eine Geliebte!« schrie er. Sie stand jetzt dicht vor ihm und hatte versucht, ihm über das Haar zu streichen. Da war er zurückgewichen und hatte ihre Hand weggeschlagen.
    »Ich weiß«, sagte Brigitte mit ruhiger Stimme. »Jutta, die Gräfin, heißt sie. Morphinistin und Trinkerin. Ich habe sie gesehen, als sie vor dem Polizeiarzt auf die Knie fiel und um eine Ampulle bettelte. Auf dem Boden hat sie sich gewunden und sich die Stirn blutig geschlagen …«
    »Genügt das nicht?« Dr. Linden drehte seiner Frau den Rücken zu. »Mit so etwas habe ich geschlafen! Ich habe dich vergessen! Dich und die Welt, aus der ich ausgebrochen bin! Ich fühle mich glücklich unter den lebenden Leichen, ich gehöre zu ihnen. Ich habe entdeckt, welch ein Genuß es ist, zu faulen!«
    »Warum lügst du so, Konrad?«
    Er fuhr herum. Sie stand dicht hinter ihm und reichte ihm ein Glas. Er schnupperte. Wein! Mit beiden Händen griff er zu, trank das Glas leer und warf es dann an die Wand. Mit hellem Klang zersplitterte es.
    »Du kannst aus meinem Glas weitertrinken«, sagte sie ruhig. »Noch einen Schluck …?«
    Linden schüttelte den Kopf. Er zerwühlte sich die Haare, warf sich auf das Bett zurück und ließ es ohne Gegenwehr zu, daß ihn Brigitte zudeckte. Ihre Ruhe machte ihn wehrlos. Der Hauch von Kultur, der von ihr zu ihm wehte, nahm ihm die Lust, sie zu demütigen oder etwas Verrücktes zu tun, das sie verscheuchte. Wie ein Mosaikbild setzte er sich die Stunden zusammen, die seiner Erinnerung fehlten. Polizei, Wache, Brigittes Suchantrag, Auslieferung an die Ehefrau,

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