Profit
versuchte irgendetwas zu verstehen. Nach einer Weile gab sie’s auf. Das Einzige, was sie aus dem Gemurmel herausfiltern konnte, war ein einzelnes, mehrfach wiederholtes Wort.
Kasse.
Sie brauchte lange, um ihrerseits Schlaf zu finden.
VIER
»Conflict Investment ist der Weg nach vorn!«
Beifall stieg auf und trommelte gegen die Glasbedachung wie der Flügelschlag von aufgescheuchten Tauben. Überall im Hörsaal erhoben Männer und Frauen sich von ihren Sitzen und schlugen die Hände zusammen. Das gesamte Leitungspersonal von Shorn Associates war im Saal versammelt. Die jüngsten unter ihnen, vermerkte Chris, legten die größte Inbrunst an den Tag. Die Gesichter verzerrten sich vor Begeisterung, Zähne und Augen blitzten in der Spätnachmittagssonne, die durch Dach und Panoramafenster hereinfiel. Sie schienen durchaus gewillt zu sein, sich die Hände notfalls auch blutig zu klatschen. Inmitten dieser Überzeugungstäter applaudierten die älteren Kollegen in einem etwas gemäßigteren Rhythmus, nickten zustimmend und steckten die Köpfe zusammen, um trotz des Lärms den einen oder anderen Kommentar auszutauschen. Louise Hewitt lehnte am Rednerpult und wartete auf das Abebben des Beifalls.
Hinter vorgehaltener Hand gähnte Chris herzhaft.
»Ja, ja.« Hewitt machte beschwichtigende Bewegungen. Der Saal kam langsam zur Ruhe. »Man hat es als riskant bezeichnet, man hat es als unpraktikabel bezeichnet, und man hat es als unmoralisch bezeichnet. Kurzum, es machen sich immer wieder die gleichen, ewig nörgelnden Stimmen vernehmlich, die die freie Marktwirtschaft zeit ihres Bestehens hat mit sich herumschleppen müssen. Aber wir haben gelernt, solche Stimmen zu ignorieren. Stetig und immerzu haben wir dazugelernt, haben eine Lektion nach der anderen beherzigt, eine Vision nach der anderen entwickelt und einen Erfolg nach dem anderen eingefahren. Und was jeder einzelne Erfolg uns gelehrt hat – und uns weiterhin immer von neuem lehrt –, das ist eine ganz schlichte Wahrheit: Wer die Finanzkraft hat…« Eine dramatische Pause; ein schmaler, in Schwarz gehüllter Arm hielt die geballte Faust in die Luft. »… der hat die Macht.«
Chris unterdrückte den nächsten Gähnanfall.
»So weit die Geschichte zurückreicht, haben die Menschen Kriege geführt. Es liegt in unserer Natur, in unseren Genen. In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts haben die Friedensstifter, die Regierungen dieser Welt, versucht, den Krieg abzuschaffen. Es ist ihnen nicht gelungen. Stattdessen haben sie den Krieg verwaltet, und sie haben ihn schlecht verwaltet. Ohne jeden Gedanken an etwaigen Ertrag haben sie Geld in ausländische Konflikte und Guerillaarmeen gepumpt und anschließend in quälende Friedensprozesse, welche die Lage in den seltensten Fällen verbessert haben. Sie waren parteiisch, dogmatisch und ineffektiv. Milliarden wurden an unzulänglich analysierte Kriege vergeudet, die kein seiner Sinne mächtiger Investor auch nur eines Gedankens gewürdigt hätte. Riesige, schwerfällige nationale Armeen und ungeschickte internationale Bündnisse; kurzum: eine gewaltige Belastung unseres Wirtschaftssystems durch den öffentlichen Sektor. Hunderttausende von jungen Männern, die in Weltgegenden starben, deren Namen sie nicht einmal richtig aussprechen konnten. Entscheidungen, die einzig und allein auf der Grundlage von politischen Dogmen und Doktrinen gefällt wurden. Nun, dieses Modell hat heute keine Gültigkeit mehr.«
Wieder machte Hewitt eine Pause. Diesmal herrschte eine aufgeladene Stille, die den Vorgeschmack des Beifalls in sich trug, so, wie drückende Schwüle die Gewissheit in sich trägt, dass ein Gewitter kommen wird. Zum Schluss ihrer Ansprache hin hatte Hewitts Stimme sich zu einem fast normalen Plaudertonfall gesenkt. Der Vortrag wurde langsamer und geriet beinahe besinnlich.
»Auf der ganzen Welt finden Männer wie Frauen immer noch Gründe und Ziele, für die es zu töten und zu sterben lohnt. Und wer sind wir, sie dafür zu schelten? Haben wir in Verhältnissen gelebt, in denen sie leben? Haben wir empfunden, was sie empfinden? Nein. Es steht uns nicht an zu bestimmen, ob sie im Recht oder im Unrecht sind. Es kommt uns nicht zu, ein Urteil abzugeben oder einzugreifen. Bei Shorn Conflict Investment befassen wir uns nur mit zwei Fragen: Werden sie gewinnen? Und wird es sich rentieren? Wie in allen anderen Bereichen wird Shorn das ihm anvertraute Kapital nur dort investieren, wo wir uns eines guten
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