Projekt Atlantis
eine Welle auf, die die Juanita mannshoch überragte. Geistesgegenwärtig umfasste González den Kran mit beiden Armen und krallte sich mit aller Macht fest, als die Wassermassen auch schon über das Heck brandeten. Sie krachten über das Deck, gegen den Kran und schlugen ihm mit solcher Wucht gegen seinen Körper, dass ihm die Beine zur Seite gerissen wurden. Er rutschte nach unten. Nur mit seinen Armen am Kran hängend war er dem Sog ausgeliefert. Sein Unterköper baumelte und schlingerte über das Deck, seine Beine schlugen hilflos gegen Metallträger. Ein losgerissenes Brett schoss nur eine Handbreit an seinem Kopf vorbei und stieß gegen seine Rippen. González krümmte sich vor Schmerz, aber er ließ nicht los. Er behielt Mund und Augen geschlossen und hoffte auf ein Ende. Dann endlich war das Wasser angelaufen. Aber das Schiff bäumte sich weiter auf. Mühsam zog er sich wieder am Kran hoch, hielt ihn weiter mit beiden Armen umfasst und sah zum Heck. Die Kabel peitschten durch den Wind, alles, was an ihnen gehangen hatte, war abgerissen.
Er brüllte vor Wut, doch der Wind verschluckte seinen Schrei. Dann begann etwas zu leuchten. Ein Schiff näherte sich! Er blickte gegen den stürmenden Regen hinaus auf den aufgewühlten Ozean. Aber das Licht kam von keinem Schiff. Es war das Meer selbst, das zu leuchten begann.
Büro der FOX International Channels, Los Angeles
»Noch heute strömen täglich Hunderte von Besuchern in die Kirche von Santa Maria delle Grazie und bestaunen das Gemälde im Speisesaal. Nur wenige von Ihnen ahnen, welche Geheimnisse hier verborgen liegen. Welches davon aber tatsächlich die Intention des Künstlers war, werden wir wohl niemals erfahren.
Mein Name ist Kathleen Denver. Begleiten Sie mich auch das nächste Mal durch die Geheimnisse unserer Vergangenheit und eine neue Folge von Dare to Know. «
Rob schaltete die Aufnahme aus und wandte sich wieder Kathleen zu.
»Kannst du mir sagen, was das sollte?«
Kathleen lehnte sich zurück und verzog den Mund. Sie hatte Robs herablassende Art noch nie leiden können. Sie kannten sich schon seit fünf Jahren, und da sie beide Profis waren, kamen sie zurecht, auch wenn die Stimmung nicht immer die beste war. Er hatte sie damals zu FOX geholt, weil ihn ihre journalistischen Fähigkeiten ebenso überzeugt hatten wie ihr Auftreten vor der Kamera. Seit er jedoch ins Management aufgestiegen war, hielt er sich immer häufiger für den Programmchef höchstpersönlich, obwohl sie hier vom Tagesgeschehen weit entfernt waren. Rob war nur für einen kleinen Teil der Formate verantwortlich, die sie für den History Channel von FOX einkauften. Allerdings gehörte Kathleens Sendung »Wage zu wissen« dazu, und aus diesem Grund hatte er sie zu einem Termin hergebeten.
»Ich weiß nicht, was du meinst«, gab sie zurück.
»Der Spruch am Ende: »...werden wir wohl niemals erfahren... Wie oft haben wir schon darüber gesprochen? Die Sendung soll keine Rätsel verkaufen, wir wollen unsere Zuschauer informieren! Information ist die Beseitigung jeder Unsicherheit beim Zuschauer. Informieren heißt nicht: sie verwirren. Hier soll es um Fakten gehen, um Wissen. Die Sendung heißt ›Wage zu wissen‹ und nicht ›Wage zu raten‹. Das ist nicht ›PSI Factor‹, okay?«
»Himmel, Rob, nun bleib auf dem Boden! Du weißt genauso gut wie ich, dass wir auch nicht einfach Behauptungen aufstellen können! Wer erzählt mir denn immer, der History Channel hätte einen Ruf zu verlieren?«
»Um den Ruf geht es, meine Liebe.« Rob tippte eine Abfrage in seinen Computer und drehte im Anschluss den Flachbildschirm, sodass sie von beiden Seiten des Schreibtischs daraufsehen konnten. »Mit einer Geschichte über das Abendmahl von Leonardo da Vinci können wir heute keine Maus mehr hinter dem Ofen hervorholen. Das hätte vor drei oder vier Jahren laufen müssen. Oder hier: Die Blutlinie von Jesus Christus, noch so ein Staubfänger. Und was haben wir sonst noch: Das Grabtuch von Turin, Freimaurer in Washington, Opus Dei...
Was gibt's sonst noch Neues? Ach ja, die Wikinger haben Amerika entdeckt, und die Geschichte der Sintflut stammt vom Gilgomasch-Epos ab...«
»Gilgamesch«, warf Kathleen halbherzig ein.
»Dann eben Gilgamesch, ist doch auch völlig egal. Die Sache ist die: Warum interessiert mich kein einziges dieser Themen? Na, eine Idee?«
Kathleen verdrehte die Augen. Sie hasste es, wenn er sich so aufführte.
»Ich werde es dir sagen«, fuhr Rob fort. »Es
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