Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
Jetzt war sie doch verwirrt. Und zwar ziemlich. Verflucht noch mal! »Verfolgen wir Neutron oder nicht?«
Luster zuckte mit den Schultern. »Könnte ich schon, denk ich. Wenn ich ihm ein bisschen die Weihnachtsbeleuchtung anknipse, geht den Reportern mit Sicherheit einer ab. Oder du sorgst dafür.«
Valerie schluckte geräuschvoll. »Ich? Du hast Meldung gemacht.
Das ist deine Festnahme. Laut Protokoll muss der Held, der auf die Meldung reagiert …«
Bradford trat ein wenig näher an sie heran, und ihre Stimme verlor sich im Nichts. Sein Lächeln überwältigte sie. Und seine Augen auch. Sie waren blass und fraßen sich in sie hinein wie Diamantbohrer. Der Blick brachte ihr Inneres zum Leuchten, und da begriff Valerie endlich, warum die Bürger und die Medien Lester so liebten: Er sah immer aus, als hätte er richtig Spaß.
»Ich hab keine Meldung gemacht. Nach allem, was die wissen, hat Neutron mir eins über den Schädel gezogen, und du bist zu meiner Rettung herbeigeeilt wie eine fliegende Prinzessin in strahlender Rüstung.« Mit dem Rücken einer behandschuhten Hand strich er über Valeries Wange. »Würdest du? Mich retten?«
»Ich …« Valerie unterbrach sich, als das Lagerhaus hinter ihnen erbebte und seine Wände sich mit einem seltsamen Ächzen nach innen bogen. Tief in ihren Eingeweiden spürte sie einen heftigen Ruck, als ob die ganze Welt gerade einen Satz zur Seite gemacht hätte.
Lester warf einen schnellen Blick auf das Gebäude. »Scheiße! Er schafft einen neuen Strudel.«
Valerie fühlte, wie ihr Blut zu rasen begann und alle unbedeckten Stellen ihres Körpers erhitzte. »Dann sollten wir uns verdammt noch mal beeilen und ihn festnehmen.«
»Also?«, beharrte Lester. »Willst du den Punkt machen, oder soll ich dort reinrauschen und die Stadt zum x-ten Mal in Verzückung versetzen? Ich würde es vorziehen, wenn du die Führung übernimmst. Das mit dem Verzücken ist auf Dauer ziemlich langweilig, wenn man so gut aussehend, charmant und intelligent ist wie ich.«
Sie war ihm so nahe. Und da spürte Valerie, wie ein zügelloser Teil von ihr, den sie sonst nur selten von der Leine ließ, sich plötzlich losriss. Der echte Luster war so ganz anders als der Luster, den sie aus dem Fernsehen kannte oder aus dem Raum für Einsatzbesprechungen im Hauptquartier der Schwadron. Der hier war entspannt. Sogar witzig.
Sie schenkte ihm ein Lächeln und straffte die Schultern. »Ich werde ihn festnehmen. Ruf du Night und Blackout als Verstärkung.«
Lester salutierte. »Geht klar. Und, Victoria?«
Valerie, die bereits auf ihrem Weg Richtung Lagerhaus war, drehte sich noch einmal um. »Ja, Luster?«
»Du siehst absolut umwerfend aus in diesem Fummel.«
KAPITEL 8
ANGELICA
Aaron besteht nach wie vor darauf, Angelica als eine Geistmacht einzustufen, nicht als eine Lichtmacht. Ich glaube, ehrlich gesagt, er will bloß einen Grund finden, um sie auf jede nur mögliche Weise zu studieren. Ich habe seinen Geschmack in Bezug auf Frauen noch nie verstanden.
- Aus dem Tagebuch von Martin Moore, Eintrag Nr. 7
Holly Owens drehte den Kopf, um über die Schulter zu blicken, warf kokett ihr langes blondes Haar herum und bauschte ihren strahlend weißen Umhang. Dabei lächelte sie leicht ironisch. Sie wusste, dieses Lächeln würde als Zeichen für Humor gedeutet und (laut Branding-Statistik) für sexuelle Leistungsfähigkeit. Ein Blitzlichtgewitter brach los. Zum Glück war sie eine Lichtmacht, sonst wäre sie vermutlich kurzzeitig erblindet. Aber Holly liebte es, im Rampenlicht zu stehen. Schon immer. Und außerdem gehörte das einfach dazu, wenn man eine Superheldin war.
»Fantastisch, Liebes«, gurrte der Vertreter von Glamique. »Du siehst zum Anbeißen aus. Ein wenig mehr Spiel mit den Lippen, bitte.«
Natürlich – man sollte ja die aktuelle Trendfarbe des Lippenstifts sehen – »Schelmisch Brombeer«. Holly las stets die Namen auf den Gratisproben, die sie bei den Fototerminen für den großen Kosmetikhersteller bekam. Die Namen einiger Produkte fand sie richtig toll – »Razzle Dazzle« -Lidschatten, »Ghostly Blush« -Foundation und -Puder; »Lay It On Thick« -Mascara.
Einige in der Schwadron waren bei der Vergabe der obligatorischen Sponsorenverträge schlecht weggekommen. Nicht so Holly Owens, Deckname Angelica. Sie hatte es richtig gut getroffen, als Glamique Holdings sie während des Vierten Ausbildungsjahres an der Akademie ausgewählt hatte.
»Das gefällt mir,
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