Projekt Ikarus 02 - Im Zwielicht
Liebes. Ja, perfekt! Die Ladys werden sich um Nummer 601 reißen wie verrückt.«
»Angelica«, sagte Jamie und tippte an seinen Taschencomputer. »Du sollst dich in fünf Minuten mit Victoria treffen. Ihr müsst auf Streife.«
»Auf gar keinen Fall!«, kreischte der Vertreter von Glamique. »Wir haben dich noch für zweieinhalb Stunden eingeplant.«
»Sir«, entgegnete Jamie höflich. »Ich fürchte, Angelica muss ihren Pflichten gegenüber der Schwadron und den Einwohnern von New Chicago nachkommen …«
»Ihren Verpflichtungen gegenüber dem Firmensponsor muss sie genauso nachkommen.« Der Vertreter rümpfte verächtlich die Nase und sah auf den Runner hinunter. »Ich schlage vor, du rufst dir mal ins Gedächtnis, welche ihrer Verpflichtungen wichtiger ist – es sei denn, Angelica zieht es vor, dass Glamique seinen Sponsoring-Vertrag mit Corp-Co kündigt. In unserer Stadt wimmelt es nur so von kleinen Superhelden. Soll doch einer von denen die Drecksarbeit machen.«
Diese letzten Worte verärgerten Holly. Der Kampf für die Gerechtigkeit und das Wohlergehen unschuldiger Normalmenschen war nichts, worüber man spottete. Streife fliegen war langweilig, aber notwendig. Schließlich kündigten die bösen Jungs ja nicht in der Werbung an, wann sie wo zuschlagen würden. Jedenfalls normalerweise nicht.
Jamie, der völlig fassungslos war, wandte sich Hilfe suchend an Holly.
Sie lächelte ihm besänftigend zu und ließ nur ein winziges bisschen Strahlen hineinfließen. In der Regel vermied sie es, ihre Runner allzu sehr zu bezaubern – sie neigten dazu, sich wie Idioten zu benehmen, wenn sie es übertrieb, und ein benebelter Runner nützte ihr gar nichts. »Ist schon gut, Jamie. Geh und sag Victoria, sie soll allein losfliegen. Falls ein dringender Notfall eintritt, komme ich natürlich sofort zu ihr. In Ordnung?«, fügte sie hinzu und warf dabei dem Glamique-Vertreter einen bedeutungsvollen Blick zu. Diesmal legte sie allerdings eine gehörige Portion Strahlen hinein.
»Oh, absolut«, sagte der glücklich. »Wenn du gebraucht wirst, wirst du gebraucht. Wir bei Glamique wissen, dass du eine Pflicht gegenüber der Stadt zu erfüllen hast.«
Holly grinste. »Dann ist es ja gut. Und jetzt lasst uns das hier zu Ende bringen, damit ich mich wieder dem Held sein widmen kann.«
Drei Stunden später betrat Holly das Hauptquartier der Schwadron. Sie legte ihren Umhang ab und übergab ihn Jamie – nicht demselben Jamie wie zuvor, sondern einem anderen Runner, einem Mädchen. Dann begrüßte sie die wenigen Soldaten der Schwadron, die im Aufenthaltsraum herumlümmelten. Sie hielt einen Moment inne und sah zu, wie Speed Demon und Velocity eine Runde Tischtennis spielten, wobei sie sich fast ein Schleudertrauma zugezogen hätte. Dann scherzte sie kurz mit ein paar Helden vom Team Delta. Was konnte schon verkehrt daran sein, sie etwas aufzumuntern. Sie bekamen ein bisschen mehr Selbstvertrauen, und Holly erhielt die Gelegenheit, ihre soziale Kompetenz zu trainieren. Ein Gewinn für beide Seiten.
Holly war gerade mitten in einer ziemlich geistlosen Unterhaltung mit einem jungen Nachwuchshelden, der mit dem unglücklichen Decknamen Slimer gestraft war, als sich plötzlich von hinten zwei Arme um ihre Taille legten.
»Holly«, schnurrte eine Männerstimme. »Du bist sexy wie immer.«
Lächelnd drehte sie sich um und umarmte Hai Gibbons alias Doktor Hypnotic. »Und du raspelst Süßholz, wie gewöhnlich.«
Bei Gott, er sah so umwerfend aus mit den tiefschwarzen Augen, in denen man versinken konnte, dem dunklen Haar, das ein bisschen zu lang war, und dem Kinn, dessen Konturen so scharf gemeißelt waren, dass man sich die Finger aufschneiden konnte, wenn man daran entlangstrich. Ganz zu schweigen von seinem Körper. Sie kannte Frauen, die muskulöse Männer nicht attraktiv fanden. Diese Frauen, so Hollys feste Überzeugung, waren komplett verrückt.
Er presste seine Lippen auf ihre, und sie tauschten einen langen, genüsslichen Kuss.
Slimer hüstelte und räusperte sich. »Ahm, wir waren gerade mitten in einem Gespräch, Hypnotic.«
Holly spürte, wie sich Hals Lippen zu einem Lächeln verzogen. Dann beendete er den Kuss. »Damit seid ihr jetzt fertig.« Seine Stimme hatte einen Klang, den Holly nur allzu gut kannte – er benutzte seine mentalen Kräfte.
Hinter Holly sagte Slimer: »Ahm. Ahm.« Dann, völlig ausdruckslos: »Wir sind jetzt fertig.«
»Eigentlich solltest du überhaupt nicht mit Angelica
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