Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
Blähbauch, sozusagen.
Bedenklich dabei ist, dass eben diese Mitmenschen nicht nur Zielgruppe für Bauchumfangreduktion und Blähbauchprävention durch Quackmethoden sind, sondern auch im demokratischen Prozess mit ihrer Stimme über hochkomplexe Fragestellungen entscheiden. Wer am Freitag im Drogeriemarkt zur »Bauch-weg-Creme« greift, darf am nächsten Wahlsonntag zumindest indirekt über die zukünftige Ausgestaltung der europäischen Finanzarchitektur abstimmen.
Sehr beruhigend ist dieser Gedanke nicht.
Dagegen spricht das Argument, dass die westeuropäischen Demokratien mit Jessica und Kevin als Souverän in den Jahren seit dem Zweiten Weltkrieg sich nicht gerade schlecht entwickelt haben. Kaum ein anderes politisches Betriebssystem hat innerhalb einiger Jahrzehnte so viel Wohlstand für so viele geschaffen wie die europäische Parteiendemokratie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Leider wissen wir mittlerweile, dass zwar ein erheblicher Teil dieses Wohlstandes ehrlich erarbeitet worden ist, ein nicht geringer Teil jedoch auf Pump geschaffen wurde. In manchen Ländern weniger, etwa Deutschland und Österreich, in anderen mehr, zum Beispiel Griechenland und Italien. Letztlich wurde überall mit der gleichen Methode Politik betrieben: Die Regierungen machten Schulden, um die Wähler mittels immer neuer sozialer Wohltaten zu bestechen und damit den eigenen Machterhalt abzusichern. Völlig zu Recht hat der tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg diesen Zusammenhang als den »moralischen Urgrund der Krise« benannt, die Europa seit Jahren erschüttert.
Die Politiker gehen dabei eine unheilvolle Allianz mit Jessica und Kevin ein. Der Souverän verhält sich im demokratischen Prozess höchst rational, indem er regelmäßig jenen Politikern und jener Partei seine Stimme gibt, die ihm das finanziell attraktivste Angebot machen. Bietet also Kandidat A eine Erhöhung der Renten um 2 Prozent und Kandidat B eine um 4 Prozent an, ist völlig klar, wer die Wahl gewinnt und wer sie verliert.
Mit dem Hinweis, dass eine Erhöhung der Renten eigentlich nicht zu verantworten, ja eine Kürzung zur Abwendung der Staatspleite unumgänglich sei, braucht ein Politiker gar nicht zu Wahlen anzutreten, wie unzählige Beispiele zeigen. Auch in der Politik gilt, dass jede gute Tat sich unerbittlich rächt.
Demokratisch immer höhere Sozialleistungen durch immer mehr Schulden herbei zu wählen, funktioniert nur bis zu jenem Moment, ab dem die Gläubiger nervös werden, ob sie ihr Geld wieder sehen werden.
In mehreren europäischen Staaten ist dieser Punkt bereits erreicht, in Deutschland und Österreich zwar noch nicht, aber die Entwicklung ist auch in den solider wirtschaftenden Staaten durchaus die gleiche.
Gleichzeitig verschiebt sich durch diese demokratische Technik des Machterhaltes mittels Wählerbestechung zu Lasten künftiger Generationen das Verhältnis zwischen der Zahl jener, die Nettoempfänger des Staates und seiner milden Gaben sind, und jener, die diesen Staat durch ihre Arbeit und ihre Leistung finanzieren. Erstere werden tendenziell immer mehr, zweitere hingegen immer weniger.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist die Demokratie akut in Gefahr, sich höchst demokratisch in die Pleite zu wählen.
Denn die Mehrheit der Nettoempfänger wird durchaus rational und ganz legitim für immer neue und immer teurere Sozialleistungen stimmen. Da sie keine Einkommenssteuern zahlen, haben Jessica und Kevin dabei nur zu gewinnen.
Die Leistungsträger und Nettozahler können und wollen diese Lasten jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt schultern. Irgendwann ist ihnen beim schlechtesten Willen keine zusätzliche Steuerleistung mehr abzupressen. Wohin das führt, hat schon Abraham Lincoln, 16. Präsident der Vereinigten Staaten, geahnt: » Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, nicht helfen, indem ihr die ruiniert, die sie bezahlen. Ihr werdet keine Brüderlichkeit schaffen, indem ihr Klassenhass schürt. Ihr werdet den Armen nicht helfen, indem ihr die Reichen ausmerzt. Ihr könnt den Menschen nie auf Dauer helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selber für sich tun sollten und können. «
Ab diesem Punkt wird es für einen Staat eng. Die Mehrheit wählt sich fidel eine permanente Ausweitung ihrer Komfortzone herbei, die von der Minderheit der Steuerzahler irgendwann nicht mehr finanziert werden kann. Eine Zeit lang
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