Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
Nationalrat eine Schuldenbremse beschlossen haben, also eine gesetzliche Begrenzung der Neuverschuldung der jeweiligen Staatshaushalte.
Dieses »Königsrecht« Budgethoheit der Parlamente haben sich die Parlamentarier dieser (und einiger anderer) Staaten damit teilweise selbst aus der Hand genommen. Sie haben eingesehen, dass die ungebremste demokratische Abstimmung über immer neue Schulden im Desaster endet. Man könnte auch sagen, die Parlamentarier haben selbst um ihre Teilentmündigung angesucht, weil sie ihre fatale und therapieresistente Neigung zur Kreditsucht kennen und um ihre Gefahren wissen. Dabei geht es nicht nur um die absolute Höhe des Schuldenberges, sondern auch um die stetig abnehmende Anzahl von Staatsbürgern, die diese Schuldenlast trägt. Weil Deutsche wie Österreicher immer weniger Kinder bekommen, sinkt zwingend die Zahl jener, die in einigen Jahrzehnten für diese Kredite geradestehen müssen. Die demographische Krise vermischt sich so mit der Schuldenkrise zu einem hochexplosiven Gemisch, dessen Sprengkraft heute nur wenigen Experten bewusst ist. Wobei zwischen demographischer (zu wenige Kinder) und ökonomischer Krise (zu hohe Schulden) ein Zusammenhang durchaus vorstellbar ist. Vielleicht setzen die Menschen ja deshalb so wenige Kinder in die Welt, weil sie sich vor dem Tag fürchten, an dem sie diesen Kindern beichten müssen, dass diese jahrzehntelang bestohlen wurden – von ihren eigenen Eltern.
III. Demokratisch gegen die Wand – oder: Warum die Mehrheit nicht immer Recht hat.
D er 24. September 2008 war in der Geschichte des österreichischen Parlamentarismus » nicht gerade eine Sternstunde «, wie es der damalige Finanzminister Wilhelm Molterer mit ganz außerordentlichem Understatement formulierte. Man könnte auch sagen, dass Österreichs Parlament sich an jenem Tag nach Kräften bemühte, den Nachweis zu erbringen, dass die parlamentarische Demokratie mit den Grundsätzen solider Staatsfinanzen nicht kompatibel ist und zwangsläufig im Staatsbankrott enden muss.
Fünf Tage trennten damals das Parlament noch von den Nationalratswahlen 2008. Die Angst, diese wichtigen Bundeswahlen zu verlieren, und die Hoffnung, sie zu gewinnen, entfachte an diesem 24. September einen populistischen Orkan der Wählerbestechung, den das Hohe Haus an der Wiener Ringstraße in seiner durchaus ereignisreichen Geschichte so wohl noch nie erlebt hatte. In bunt wechselnden Koalitionen beschlossen die Parlamentarier aller Parteien in einer Art politischem Blutrausch ein ganzes Bündel vermeintlicher Wohltaten für den Wähler. Die Studiengebühren für Studenten an österreichischen Universitäten wurden abgeschafft, für viele Wähler die Möglichkeit des vorzeitigen Rentenantrittes geschaffen und die ohnehin im europäischen Vergleich sehr hohen Renten außertourlich angehoben. Einziger Zweck der Veranstaltung war, um die Stimmen von Jessica und Kevin und deren Omas und Opas zu buhlen, wie eine schon etwas unansehnliche Gunstgewerblerin am Strich kurz vor Dienstschluss. Wenn es denn eine Sternstunde war, dann eine der Prolokratie.
Finanziert wurden all diese Wohltaten mangels Barem natürlich mit neuen Schulden, also zusätzlichen Steuerbelastungen zukünftiger Generationen. Ein klassisches Geschäft zu Lasten Dritter, aber daran stieß sich der Gesetzgeber in seinem Taumel nicht im Geringsten.
Experten schätzten die Kosten jener Gesetze – ein Teil konnte mittlerweile wieder mühsam rückgängig gemacht werden –, die damals ausschließlich zum Zweck der Wählerbestechung beschlossen wurden, auf etwa 2 Milliarden Euro pro Jahr, was etwa den jährlichen Aufwendungen der Republik für die Landesverteidigung entspricht. Nicht schlecht für ein Land, dessen Schuldenstand durchaus als überdimensioniert bezeichnet werden kann.
» Was wir damals veranstaltet haben «, gibt heute unter dem Schutz der Anonymität einer der damals federführenden Politiker offen zu, » war der blanke Wahnsinn «.
Es war zwar Wahnsinn, aber durchaus mit Methode. Derartige Exzesse sind nicht Betriebsunfälle der zeitgenössischen Massen- und Mediendemokratie, sondern logische Konsequenz dieses politischen Betriebssystems, in dem die Mehrheit über das Vermögen der Minderheit und noch ungeborener Steuerzahler abstimmen und verfügen kann.
In der historischen Perspektive haben wir es hier freilich mit einem fast harmlosen und grundsätzlich reparablen Fall von Demokratieversagen zu tun. Denn immerhin wurde
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