Promenadendeck
Bestellung auf, als Schwarme mit seiner Frau ins Restaurant kam. Für den Anwalt war das Problem noch nicht gelöst. Wenn dieser Fehringer nicht das Opfer war, dann muß ein anderer Mann über Bord gegangen sein, dachte er, rückte Erna den Stuhl zurecht und blickte noch einmal hinüber an den anderen Tisch. Seltsam war nur, daß niemand vermißt wurde; zumindest hatte es sich noch nicht herumgesprochen, daß ein männlicher Passagier fehlte, als die Atlantis in Papeete festmachte.
Der Tisch von de Jongh war leer. Sylvia war in ihrer Kabine geblieben und ließ sich dort servieren. Im Hospital hatte de Jongh den Tag schweigend verbracht, fast unbeweglich auf dem Rücken liegend. Auch als Sylvia ihn in Begleitung von Dr. Paterna kurz besuchte, reagierte er nicht. Sein Blick schien durch sie hindurchzugehen. Er stand wieder unter der Wirkung starker Beruhigungsmittel und blieb sogar stumm, als Pflugmair nach einer heftigen Diskussion mit Schwester Erna an sein Bett durfte. Für fünf Minuten, keine Sekunde länger.
»I kümmer mi um di«, sagte Pflugmair erschüttert. »I lass' di nimmer allein. Wenn du in Auckland 'naus mußt, komm i mit … Hörst mi?«
De Jongh blieb teilnahmslos. Man wußte noch nicht einmal zu sagen, ob er überhaupt Personen und Laute wahrnahm. Das Gespräch mit Kapitän Teyendorf und Dabrowski hatte Pflugmair längst vergessen. Und keiner der Passagiere hatte mitbekommen, daß der elegante Weinhändler Tatarani nicht von Geschäftsfreunden, sondern von der Kriminalpolizei abgeholt worden war. Dafür beschäftigte man sich sehr mit dem Hinausschmiß von Monsieur de Angeli. Die Damen fanden es skandalös, die Herren äußerten tiefe Zufriedenheit. Nach dem Abendessen gaben die betroffenen Ehemänner in der Olympia-Bar einen Sektempfang für Dr. Schwarme, während ihre Frauen mißmutig im Sieben-Meere-Saal dem Schlagersänger Hugh Dark zuhörten. Die kleine Feier unter Männern artete erwartungsgemäß in eine massive Sauferei aus; man konnte sie sich jetzt leisten, die Gefahr für die Damen war beseitigt.
Um sechs Uhr früh wurden die Leinen losgemacht. Kapitän Teyendorf drückte sein herrliches Schiff, dieses schwimmende weiße Hotel, mit dem Seitenstrahlruder von der Kaimauer. Und mit einem dreimaligen Dröhnen der großen Sirene verabschiedete sich MS Atlantis von Papeete auf Tahiti. Der Südseezauber würde jetzt weiter geträumt werden können: Moorea, Bora-Bora, Niué, Tonga und dann hinüber zu dem unwahrscheinlich schönen Neuseeland mit seinen sechzig Millionen Schafen, den brodelnden heißen Geysiren und der faszinierenden Kultur der Maoris.
Teyendorf trat in der Brückennock von seiner Instrumentensäule zurück und überließ die Weiterfahrt dem Rudergänger und dem II. Offizier auf der Brücke. Willi Kempen, der I. Offizier, lehnte ihm gegenüber am Schanzkleid.
»Da haben wir ja allerhand hinter uns, Herr Kapitän«, sagte er sarkastisch. »Was kann uns jetzt noch passieren?«
»Daß wir sinken …«
»Das ist so ziemlich das einzige, was nicht möglich ist. Ich habe mich vorhin mit Dr. Paterna unterhalten. Er ist der Meinung, daß – wenn der Sarg mit Herrn Richter in Auckland ausgeladen und nach Deutschland geschickt wird – auch Herr de Jongh ins Krankenhaus eingeliefert werden könnte. Sollen wir nach Tonga deswegen mit Auckland sprechen?«
»Wenn Dr. Paterna es für richtig hält: Mir ist es mehr als recht. Wegen des toten Richter muß ich noch mit der Witwe reden.«
»Das hat Pater Brause schon getan.«
»Sie sagen das so säuerlich, Kempen!«
»Frau Richter ist nicht bereit, ihre Reise zu unterbrechen.«
»Das wollen wir doch mal sehen!« Teyendorf ging von der Nock in den Navigationsraum. »Wo ein Sarg ausgeladen wird, das bestimme ich!«
Alma Richter saß im Schatten auf dem Sonnendeck, als Teyendorf gegen 10 Uhr zu ihr trat. Mit Genuß trank sie die Bouillon und kaute an einer Salzstange. Das Gebäck knackte zwischen ihren Zähnen. Sie sah zu Teyendorf auf, stellte die Bouillontasse auf den kleinen Tisch zurück und lächelte, ihr Spitzmausgesicht wurde dadurch nicht reizvoller.
»Papeete ist wunderschön«, sagte sie. »Ich habe drei Filme verbraucht. Hundertachtzig Fotos allein von Tahiti, eine gute Ausbeute. Wie ist die Welt doch wunderbar, Herr Kapitän!«
»Wir haben da ein Problem, Frau Richter.« Teyendorf setzte sich ihr gegenüber. Die Fröhlichkeit der Witwe ärgerte ihn. Da liegt der arme Kerl steifgefroren auf Eis, und seine Frau ist stolz,
Weitere Kostenlose Bücher