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Prophezeiung der Seraphim

Prophezeiung der Seraphim

Titel: Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Vassena
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zurück willst, lasse ich die Kutsche sofort wenden, mein Wort darauf«, sagte er.
    Julie wurde von einer vagen Furcht umfangen, die sie nicht erklären konnte, aber zugleich wollte sie erfahren, was es mit der Magie auf sich hatte und wie Nicolas davon wissen konnte. »Nun gut, ich höre dir zu.«
    Nicolas holte tief Luft und fing an zu sprechen. »Du besitzt eine Gabe, nicht wahr? Und du hast sie vor Kurzem zum ersten Mal benutzt. Auf die Art hat meine Mutter dich gefunden. Sie hat ein Gespür für Magie – wie ein Jagdhund für die Beute. Sie hat sich sogar dazu hinreißen lassen, mich zu umarmen vor lauter Freude darüber, dass sie dich aufgespürt hat. Und ich kann dir versichern, dass derartige Zärtlichkeiten bei uns nicht an der Tagesordnung sind.«
    »Und woher stammt diese Gabe?« Dieses Mal war es Julie, die sich vorbeugte. Endlich würde sie eine Erklärung erhalten.
    »Julie, deine Eltern müssen Seraphim gewesen sein, sonst hättest du keine magischen Kräfte. Du bist eine Unsterbliche. Ebenso wie meine Mutter.«
    »Unsterblich«, wiederholte Julie tonlos. Sie wollte Nicolas nicht glauben, und sie versuchte vergeblich, das Gefühl, dass er die Wahrheit sagte, beiseitezuschieben. Einen Augenblick lang hatte sie das Gefühl, verrückt zu werden, und es war ihr nicht einmal unwillkommen. »Ich bin ein Engel. Wunderbar, dann kannst du mich jetzt nach Hause bringen.«
    »Das wäre nicht sehr klug, Liebchen. Und du bist kein Engel, selbst wenn du wie einer aussiehst.« Nicolas war wieder ganz gelassen, lehnte den Kopf gegen das Sitzpolster und sah sie abwartend an.
    Julie schwieg, während die Kutsche über das Kopfsteinpflaster ratterte. Sie zog den Fenstervorhang auf ihrer Seite zurück und sah im Schein der Fackeln, die an der Kutsche befestigt waren, nur unbekannte Straßen, gesäumt von prachtvollen Häusern. Wohin fuhren sie? Sie starrte weiter hinaus, während in ihrem Kopf ein Schneesturm von Gedanken wirbelte.
    »Ich verstehe, dass du etwas Zeit benötigst, um all das zu begreifen«, sagte Nicolas in ihr Schweigen hinein. »Aber ich werde versuchen, deine Fragen zu beantworten, wenn ich kann.« Sie wandte sich ihm zu, als er ihre Hand nahm. »Welche Gabe besitzt du?«, fragte er, während er mit dem Zeigefinger über ihren Handrücken strich. »Jeder Seraph nutzt die Magie auf seine eigene Weise.«
    »Ich kann die Stimmungen der Menschen sehen«, antwortete sie zögerlich. »Sie erscheinen mir als farbige Lichter. Und ich glaube, ich kann auch …«, sie stockte, weil sie nach dem passenden Ausdruck suchte, »… Gefühle auf andere Menschen übertragen. Vor zwei Tagen habe ich eine panische Menge mit einem blauen Licht beruhigt, das aus mir herausströmte … obwohl ich es gar nicht wollte.«
    Nicolas nickte. »Das Licht ist der Grundstoff der Magie, den du durch deine Gabe veränderst. Aber man muss sie zu beherrschen wissen, sonst zerstört sie einen.«
    Julie hörte ihm aufmerksam zu. Was er sagte, erklärte alles, was ihr in den letzten Tagen widerfahren war, und auf gewisse Weise war das eine Erleichterung. Sie würde also vorerst akzeptieren, dass sie magische Kräfte besaß und unsterblich war. Sie kaute auf ihrer Unterlippe, während sie nachdachte, und fragte dann: »Also bist du auch einer dieser Seraphim, richtig? Was ist deine Gabe?«
    Nicolas ließ ihre Hand los und hob herausfordernd das Kinn. »Ich habe keine. Ich bin eine ›abscheuliche Missgeburt‹, um die Worte meiner Mutter zu gebrauchen. Wahrscheinlich sogar sterblich. Erbärmlich, nicht wahr?« Er lachte bitter auf, und Julie verspürte kurz den Wunsch, nun ihrerseits seine Hand zu ergreifen. Um sein Schweigen zu brechen und auch, um Klarheit in ihre eigenen wirbelnden Gedanken zu bringen, sagte sie: »Ich möchte das alles genau verstehen. Woher stammen die Seraphim, wenn sie keine Engel sind?«
    Während die Droschke weiter durch die nächtlichen Straßen rollte, begann Nicolas zu erzählen: »Der Legende nach waren die Seraphim die ersten Kreaturen, die von Phanes, dem Weltenschöpfer, erschaffen wurden. Natürlich hießen sie damals nicht Seraphim – sie trugen zahllose Namen im Lauf der Zeiten. Diese Geschöpfe lebten damals in einer Welt, die wir das ›Ursprüngliche Reich‹ nennen, die Quelle aller Mythen. Doch als Kronos, einer der ältesten und stärksten Seraphim, Phanes entthronen wollte, nahm dieser ihnen zur Strafe die Flügel, verbannte sie in diese Welt und schloss das Tor, das beide Welten verband für alle

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