Psycho Logisch - Nuetzliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie
vermeiden den direkten Kontakt, indem wir uns kollektiv auf unsere Hinterköpfe konzentrieren. Auf diese Weise laufen wir weder Gefahr, unseren Artgenossen direkte Reize zu senden noch von ihnen Reize zu empfangen. Wir haben keinen Grund, uns aufregen zu müssen.
Testen Sie’s und machen Sie die Gegenprobe: Benehmen Sie sich einmal anders als die Allgemeinheit und schauen Sie Ihren Mitfahrern keck ins Gesicht. Beobachten Sie die Reaktionen und spüren Sie, wie sich die Stimmung verändert. (Kleiner Tipp am Rande: Sollte es brenzlig werden, so setzen Sie notfalls das evolutionär überlieferte Furchtgrinsen auf. Legen Sie Ihren Oberkiefer frei, jedoch ohne Beißstellung. Entspannen Sie die Situation durch diese defensive Entschuldigung, gepaart mit freundlichem Appell. Junge Primaten machen es uns vor …)
Das Prinzip »gemeinsame Konzentration auf etwas Drittes, um nicht miteinander in Konflikt zu geraten« funktioniert auch außerhalb des Aufzugs und des bloßen Blickkontakts. In dem Kapitel »Warum Frauen wirklich nicht einparken und Männer wirklich nicht zuhören können« haben wir zum Beispiel gesehen, dass sich einander feindlich gesinnte Gruppen versöhnen lassen, wenn man ihre Aufmerksamkeit auf ein gemeinsames äußeres Ziel lenkt. Auf diese Weise beschäftigen sich die Beteiligten nicht mehr so sehr mit der Frage, ob sie gegenseitig ihre »Reizschwelle« überschreiten und sich daher streiten müssen. Zusätzlich wirkt das Ähnlichkeitsprinzip: Gemeinsamkeiten machen uns andere Menschen sympathischer. Das kann ebenso der gemeinsame Blick auf eine Aufzugtür sein wie die Konzentration auf ein gemeinsames sonstiges Ziel. Schon solche kleinen Tricks können also helfen, wann immer Sie eine hoch gekochte Situation etwas beruhigen wollen.
Kappeler, P. (2008): Verhaltensbiologie (Kap. 14 und 15). Berlin: Springer
Wehnelt, S. & Beyer, P.-K. (2002): Ethologie in der Praxis: Eine Anleitung zur angewandten Ethologie im Zoo (Kap. 2.3.2). Fürth: Filander
Sind Sie so peinlich, wie Sie glauben?
Der »Spotlight-Effekt« aus der Persönlichkeitspsychologie macht Ihr Leben entspannter – wenn Sie ihn kennen
Auf einer hippen Party Ihres besten Freundes: »Ich hol uns mal eben was zu trinken«, tönen Sie vollmundig zu der Gruppe, bei der Sie stehen. Ein paar Minuten später kommen Sie vollbepackt zurück – mit zwei Gläsern Prosecco, zwei Bier und einem Weißwein, den Sie kunstvoll noch unter den linken Arm geklemmt haben. Dummerweise übersehen Sie eine Serviette, die offenbar vom Tisch gefallen ist und einladend vor Ihnen auf dem Boden liegt. Sie gleiten zunächst sanft und elegant, jedoch unaufhaltsam, mit dem rechten Fuß nach vorne. Im Verlauf der Bewegung verlieren Sie stark an Eleganz und können sich gerade noch an der Tischkante auffangen. Die Getränke landen laut scheppernd auf dem Boden.
Was denken Sie?
❏ »War was?«
❏ »Ich würde am liebsten sofort im Erdboden versinken. Vor diesen Leuten kann ich mich doch nie wieder blicken lassen.«
❏ »Halb so schlimm. In fünf Minuten erinnert sich kein Mensch mehr daran.«
Wenn Sie zu den extrem lockeren Zeitgenossen gehören, werden Sie das »War was?« nicht nur denken, sondern überzeugt in die Runde fragen. Die meisten Menschen allerdings tendieren in einer solchen Situation eher in Richtung »im Erdboden versinken«.
Nun kommt aber die eigentlich interessante Frage: Wie sehen die anderen die Situation? Glauben die auch, Sie könnten ihnen nie wieder unter die Augen treten? Die Wissenschaft legt nahe: Der Großteil der Umstehenden hat den Vorfall – wenn überhaupt – nur kurz wahrgenommen und sich dabei gar nichts weiter gedacht.
Wir überschätzen nämlich in der Regel die Aufmerksamkeit, die andere Menschen uns entgegenbringen und zwar dramatisch. In der Wissenschaft kennen wir das als den »Spotlight-Effekt« – wir glauben, viel stärker im Scheinwerferlicht zu stehen, als wir das eigentlich tun.
Der Spotlight-Effekt ist mehrfach eindrucksvoll nachgewiesen: Man lässt zum Beispiel Studenten T-Shirts tragen, die sie selbst als »peinlich« empfinden, etwa weil darauf ein Musiker abgebildet ist, der in Studentenkreisen als »peinlich« gilt. (Im Experiment war das Barry Manilow …) Hinterher fragt man die Studenten, wie vielen Beobachtern das »peinliche« T-Shirt wohl aufgefallen sei. Und man fragt die Beobachter selbst und vergleicht die Zahlen. Das Ergebnis: Die Zahl der Beobachter, die sich überhaupt an das T-Shirt erinnern,
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