Psychologische Homöopathie
nitricum denken. Obwohl er etwas unzusammenhängend sprach, weil er mit seinem impulsiven Enthusiasmus über die eigenen Worte stolperte, bezeichnete er Kommunikation als seine Stärke. Er berichtete, er gebe sein Wissen gerne an andere weiter und könne das auch gut. Ich glaubte ihm, obwohl er so holprig sprach, weil ich schon die Intelligenz und Neugier erkannt hatte, die für Mercurius oft so charakteristisch ist. Obwahl offen und leicht zu beeinflussen wie Phosphor, ist Mercurius wesentlich stärker mentalorientiert als der emotionale Phosphor. Nur Argentum, der ebenfalls sprunghaft ist, aber einen scharfen Verstand hat, kommt ihm nahe. Seltsamerweise wirkt Mercurius trotz seiner Impulsivität und Widersprüchlichkeit nicht exzentrisch wie Argentum. Er ist flatterhaft und unberechenbar, aber sein Intellekt arbeitet so zielgerichtet, daß er nicht exzentrisch, sondern sehr direkt wirkt, was aber mit einer etwas verzerrten Wahrnehmung einhergeht.
Mein junger Patient sagte, er habe nur wenige Freunde, weil die Leute ihn für eigensinnig hielten. Es stimmt, daß Mercurius meist sagt, was er denkt, und vor allem der junge Mercurius wirkt oft übertrieben selbstsicher, weil er die Feinheiten des sozialen Umgangs noch nicht gelernt hat, aber auch, weil seine ursprüngliche, direkte Wahrnehmung ihm ein Gefühl der Überlegenheit vermittelt. Ich gab ihm Mercurius vivus 10M gefolgt von LM6, und er berichtete bald darauf, seine Konzentrationsfähigkeit habe sich verbessert. Er hatte sich einen Job als Staubsaugervertreter besorgt und erklärte mir stolz die besonderen Qualitäten seines Produkts. Er wirkte auch sehr selbstbewußt, als er mir erzählte, er habe einen Preis gewonnen, weil er die Teile eines neuen Staubsaugers in Rekordzeit zusammensetzen konnte. Mercurius ist schnell und anpassungsfähig; sein Verstand erfaßt mühelos jede Erfahrungund jede Idee, weil er keinen starren Bezugspunkt hat. Das gibt ihm eine große Breite und Flexibilität, aber auch eine große Instabilität. Nur der reifere Mercurius schafft es, sich selbst genügend zu disziplinieren, um seine Talente voll zu nutzen, indem er Ablenkungen ignoriert und Prioritäten setzt.
Mercurius ist meist sehr intuitiv. Er lebt auf der Grenze zwischen rationalem Intellekt und intuitiver Einsicht und schwankt oft zwischen beidem hin und her. Das ist an und für sich ein gewisser Widerspruch. Einerseits unterscheidet, klassifiziert und zerteilt Mercurius die Welt mehr als die meisten anderen Typen. So beurteilt er beispielsweise sofort den Charakter eines anderen Menschen, um sich dann mit dem Betreffenden anzufreunden oder ihn zu meiden. Er ist überraschend eindeutig in seinen Meinungen und Präferenzen und verfügt dabei oft über ein großes Maß an objektivem Wissen. Bei Dingen, über die er bisher nie besonders nachgedacht hat, kann er eigensinnig und didaktisch wirken. Der Mercurius-Verstand macht Schnappschüsse von der Welt vor seinen Augen, klassifiziert dann sofort die Bestandteile des Bildes und legt es beiseite. Das kann zu übereilten Entscheidungen oder Vorurteilen führen, aber auf der anderen Seite hat Mercurius oft eine so rasche Wahrnehmung, daß er in unglaublich kurzen Zeit-Bits die richtigen Schlußfolgerungen ziehen kann. (Der Ausdruck »Bit« scheint hier passend, wenn man von der Affinität ausgeht, die Mercurius zu Computern hat. Der Verstand von Mercurius arbeitet schnell wie ein Computer, und er ist oft ebenso distanziert.)
Andererseits sind viele Mercurius-Menschen fähig, ihr logisches Denken aufzugeben und sich den unterbewußten und »überbewußten« Informationsquellen zu öffnen. Oft geschieht das unfreiwillig, wenn intuitive Einsichten plötzlich gewissermaßen aus dem Blauen heraus auftauchen. Viele Mercurius-Menschen werden sich dieser intuitiven Begabung bewußt. Manchmal suchen sie auch gezielt diese Verbindung zu den tieferen Ebenen des Geistes. Nach meiner Erfahrung hat Mercurius oft einen guten Zugang zur Meditation, was überraschend erscheinen mag angesichts der zerstreuten und unaufhörlich geschäftigen Wesensart des Typs. Es stimmt zwar, daß Mercurius durch exzessives Denken zum Wahnsinn getrieben werden kann, aber es stimmt genauso, daß er die Wahl hat, und wenn er seine Aufmerksamkeit vom rationalen Intellekt weg nach innen richtet, findet er es überraschend einfach, das Geplapper der alltäglichen Gedanken abzustellen und sich für Einsichten aus der nichtrationalen Welt zu öffnen. Hier sehen wir, warum
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