Psychologische Homöopathie
führt zu erheblicher Übertreibung. Wenn das Kind erst einmal seine Schlußfolgerung gezogen hat, wird es darin durch die leiseste Kritik bestärkt, und weil die Eltern ihr Kind nicht bedingungslos lieben, äußern sie oft eine ganze Menge Kritik. Das Natrium-Kind empfindet Kritik jedoch so, als steche jemand ein Messer in sein Herz (Kent: »überempfindlich«, »Beschwerden durch Verachtung«). In der Psychotherapie empfinden viele Natrium-Patienten tatsächlich einen Schmerz in der Brust, wenn sie bewußt mit ihrem frühen Kummer Kontakt aufnehmen, und dieser Schmerz ist oft stechend.
Kummer ist also das erste schmerzliche Gefühl des durchschnittlichen Natrium-Kindes, und er wird tief vergraben. Wenn der erwachsene Natrium in Zukunft etwas verliert, das ihm teuer ist, empfindet er das als unerträglich, denn es aktiviert den unerträglichsten aller Schmerzen: die Erinnerung an das Verlassenheitsgefühl der eigenen Kindheit.
Das verschlossene Natrium-Kind weiß gewöhnlich nicht, worin das Problem besteht, denn es hat den ursprünglichen Schmerz tief in seinem Inneren vergraben. Es weiß nur, daß es nicht vollkommen glücklich ist und daß es haßt, über seine Gefühle zu sprechen. Seine Eltern sehen ein normales Kind, manchmal etwas reserviert, aber nicht viel anders, als sie es erwartet haben. Das verschlossene Natrium-Kind empfindet bisweilen ein schreckliches Gefühl der Einsamkeit, aber es spricht nicht darüber. Später im Leben wird der Erwachsene immer noch so empfinden, sogar wenn er eine eigene Familie hat, und er wird sich fragen, woher das kommt.
Das verschlossene Natrium-Kind spricht nicht über seine Gefühle, weil es weiß, daß man es nicht verstehen wird – und genauso ist es auch. Das Kind hat noch nicht gelernt, seine Gefühle völlig abzuspalten, und so zieht es sich lieber auf sich selbst zurück, statt vorgeben zu müssen, es sei glücklich. Es gibt sich nach außen den Anschein von Starke, weil es weder sich selbst noch anderen gegenüber seine inneren Schmerzen zugeben will. Denn der Schmerz wird nur noch schlimmer, wenn man ihn zugibt. Allmählich scheint das Kind gegen Kritik und Zurückweisung immun zu werden, kann nach außen hin sogar darüber lachen, aber im Inneren erwacht immer wieder der alte Schmerz.
Das älteste Kind ist oft ein verschlossener Natrium-Typ. Bei weiteren Kindern lernen die verschlossenen Natrium-Eltern meist offener und weicher zu sein, aber beim ersten Kind ist das noch anders. Außerdem sind die finanziellen Verhältnisse für junge Familien oft schwierig, und so kann es sein, daß das älteste Kind seinen hart arbeitenden Vater nur selten sieht und daß sogar die Mutter zu beschäftigt ist, um dem Kind ausreichend echte Zuwendung zugeben. Wenn die Familie weiter wächst, wachsen auch die Probleme, denn nun muß das älteste Kind schnell groß werden, damit es sich um seine jüngeren Geschwister kümmern kann, eine Aufgabe, bei der die erschöpften Eltern jede Entlastung brauchen können. Der durchschnittliche verschlossene Natrium ist nicht sehr gesellig und neigt eher zu ernsthaften Interessen wie Lesen oder Modellbau. Wenn er sich um seine Geschwister kümmern muß, bleibt ihm nicht einmal dafür die Zeit, und so lernt er, ein Leben im Dienst der anderen zu akzeptieren. Die einzige Belohnung dafür ist ein wenig Anerkennung von seinen Eltern und der Respekt und die Liebe der jüngeren Geschwister. Das werden allmählich die wichtigsten Dinge in seinem Leben, und wenn sie ihm genommen werden, fühlt er sich vollständig verloren und hoffnungslos.
Das älteste Natrium-Kind wird mit noch größerer Wahrscheinlichkeit verschlossen sein, wenn ein Elternteil fehlt. Der verbleibende Elternteil hat dann gewöhnlich genug damit zu tun, die Familie zu erhalten und emotional mit den Ereignissen fertig zu werden. Dabei verläßt er sich oft stark auf die Hilfe des ältesten Kindes, sowohl praktisch als auch emotional. Viel zu früh muß sich das Kind dann mit ernsten Angelegenheiten beschäftigen, die die Eltern normalerweise unter sich ausmachen, wie beispielsweise finanzielle Probleme oder auch die Tränen des verlassenen Elternteils. In dieser Situation hat das Kind das Gefühl, es müsse stark sein und dürfe sich nicht beklagen oder weinen. Denn Weinen öffnet nicht nur das Herz, in dessen Tiefe noch mehr Schmerzen verborgen sind, sondern es vergrößert auch die Probleme des Vaters oder der Mutter, die selbst oft zu verzweifelt sind, um ihr Kind zu trösten.
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