Psychologische Homöopathie
Glanzleistungen antreiben und sich nie mit weniger als dem Perfekten zufriedengeben. Das Kind wächst angespannt und unnatürlich auf und hat ständig Angst, seinen üblichen hohen Standard nicht zu erreichen.
Bei der homöopathischen Fallaufnahme frage ich immer nach Perfektionismus. Natrium weiß meist, daß er perfektionistisch ist. Wenn ich die Patienten bei der Fallaufnahme frage, ob sie Perfektionisten sind, antworten viele: »Ich versuche, einer zu sein.«
Natrium-Perfektionisten sind oft auch arbeitswütig, aber beide Charakteristika kommen genauso getrennt vor. Der Natrium-Workaholic kann es nicht ertragen, müßig zu sein, und passive Beschäftigungen wie Lesen werden von vielen schon als Müßiggang betrachtet. Wie zahlreiche andere Aspekte der Natrium-Persönlichkeit ist dieser Zug ein Versuch, den eigenen Gefühlen zu entgehen. Die Rastlosigkeit, die der Workaholic empfindet, wenn er nichts tut, läßt auf Dauer Schuldgefühle, Traurigkeit und Verzweiflung in ihm aufsteigen, aber soweit kommt es selten. Der arbeitswütige Natrium haßt Ferien, wenn es sich nicht gerade um einen Aktivurlaub handelt, und der Gedanke an die Pensionierung erschreckt ihn. Wenn er dann schließlich doch Rentner wird, beschäftigt er sich entweder mit einem Projekt nach dem anderen, oder er wird depressiv. Die Natrium-Hausfrau kann genauso süchtig nach Beschäftigung sein, und je mehr ihre Spannung wächst, desto wütender arbeitet sie, um ihre Gefühle weiter zu unterdrücken. Natürlich rechtfertigen viele Natrium-Typen ihre Sucht nach Aktivitäten (vor allem nach produktiven Aktivitäten) mit allen möglichen vernünftigen und löblichen Erklärungen, aber die Wahrheit ist einfach, daß sie ihren Gefühlen entfliehen wollen.
Natrium ist aus zwei Gründen arbeitssüchtig. Erstens ist das eine Möglichkeit, Gefühle zu vermeiden, und zweitens kann man sich auf diese Weise irgendwie »nützlich« fühlen (d. h., man vermeidet das Gefühl der Wertlosigkeit). Wenn Natrium nicht arbeiten kann, neigt er dazu, entweder reizbar oder depressiv zu sein. Das geschieht jedesmal, wenn er krank ist, und genauso, wenn er arbeitslos ist. Beide Situationen sind für viele Natrium-Typen unerträglich. Zahlreiche Natrium-Patienten berichten, daß sie es hassen, krank zu sein, und doch ziehen sie sehr oft unbewußt die Krankheit an, weil das eine Möglichkeit ist, sich selbst emotional zu heilen. Nur wenn er seine unterdrückten Gefühle zuläßt, kann Natrium geheilt werden, und genau dieser Prozeß beginnt, wenn auch zögernd, während der Krankheit. Ich habe sehr viele Patienten mit CMS (Chronisches Müdigkeitssyndrom) behandelt, die fast alle Natrium waren und auf die Arznei angesprochen haben. Diese Krankheit ist merkwürdig, weil sie dem Patienten jede Energie raubt, ohne daß es eine signifikante, meßbare körperliche Pathologie gäbe. Sie führt dazu, daß der Natrium-Mensch nahezu alle Aktivitäten aufgeben muß, wobei sein Körper jedoch »gesund« bleibt und die Auswirkungen vollkommen heilbarsind. Es ist die perfekte Krankheit für einen Arbeitssüchtigen, der eine Pause braucht und seine Gefühle zulassen muß.
Es gibt ganze Gesellschaften, die arbeitssüchtig wirken. Ich denke hier insbesondere an Deutschland, Japan und auch an die Schweiz. In diesen Gesellschaften herrscht eine besondere emotionale Verdrängung, und die große Mehrheit der Menschen sind Natrium-Typen. In diesen Gesellschaften herrscht eine starke soziale Kontrolle, wie auch in vielen weiteren Ländern des Fernen Ostens. Ich bin sicher, daß die meisten dieser Orientalen Natrium muriaticum sind, und meine Erfahrungen mit der Behandlung solcher Patienten bestätigen diese Annahme. Wenn Frauen lernen, daß sie sich zu benehmen und anderen klaglos zu dienen haben, enden sie sehr oft als Natrium, wenn sie es nicht schon von Anfang an waren. Wo diese Art von Chauvinismus und Unterdrückung Tradition hat, entsteht eine ganze Gesellschaft von Menschen, die von Geburt an eine Natrium-Konstitution haben.
Positives Denken
Traditionell gilt Natrium als pessimistisch und auf das Unglück der Vergangenheit fixiert. Das ist sicherlich eine Seite der Natrium-Psyche, aber längst nicht die ganze Geschichte. Die Mehrheit der Natrium-Menschen nimmt Zuflucht zum positiven Denken, um ihren inneren negativen Gefühlen zu entgehen. Manch einer treibt das so auf die Spitze, daß er keinen einzigen negativen Gedanken zulassen will. Ich hatte einige Patienten, die so positiv
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