Psychologische Homöopathie
Als er zurückkommt und sieht, wie undiszipliniert seine Kinder geworden sind, befiehlterihr(inechter Nux-Manier), ihre Sachen zu packen. Aberdann schmilzt sein Herz, als er die Kinder zum ersten Mal singen hört. Phosphor kann das Herz des kältesten Tyrannen zum Schmelzen bringen. Ihre Liebe ist so unschuldig und so bedingungslos, daß nur ein Roboter oder ein Teufel ihr widerstehen könnte.
Ihre Naivität kann die Phosphor-Frau in Schwierigkeiten bringen, denn sie macht sie leichtgläubig. Die meisten Phosphor-Menschen sind sehr vertrauensselig, besonders wenn sie jemanden mögen, und obwohl sie meist wieKinder sensibel genug sind, um sich von negativen Menschen fernzuhalten, können sie durch vordergründige Freundlichkeit dazu verleitet werden, ihre Intuition zu ignorieren und sich einer Person auszuliefern, die sie manipuliert. Phosphor ist schrecklich optimistisch und sieht in jedem Menschen eher das Gute als das Schlechte. So kann ein Lycopodium-Handelsreisender sie so bezaubern, daß sie ihm etwas abkauft, wofür sie normalerweise nicht im Traum soviel Geld ausgeben würde, oder ein Versicherungsvertreter kann sie so in Angst versetzen, daß sie eine viel zu hohe Versicherung abschließt.
Phosphor ist sehr anfällig für Panikmache. Weil sie leichtgläubig ist und nicht viel von der materiellen Wirklichkeit versteht, kann sie Risiken nicht realistisch einschätzen und neigt zu Überreaktionen auf bedrohliche Eindrücke (Kent: »Angst bei Kleinigkeiten«). Als Orson Welles zum Spaß im amerikanischen Radio die Nachricht verbreiten ließ, daß Außerirdische mit Raumschiffen gelandet seien, flohen Hunderte von Menschen voller Panik in die Berge. Viele von ihnen müssen konstitutionell Phosphor gewesen sein.
Die Phosphor-Frau neigt auch zu übereilten Schlußfolgerungen, was mit ihrer Leichtgläubigkeit zusammenhängt. Ihr Verstand arbeitet oft nicht präzise und ist leicht zu beeindrucken, und sie hat eine lebhafte Phantasie. Deshalb ist es für sie oft schwierig, Illusion und Wirklichkeit auseinanderzuhalten. Vor allem interpretiert sie die Tatsachen oft im Licht ihrer Ängste und Wünsche. Ich war einmal mit einer Phosphor-Freundin in Urlaub. Ihr fiel auf, daß ein Mann in mittleren Jahren sich sehr für ein hübsches junges Mädchen im Badeanzug interessierte. Noch aufmerksamer wurde meine Freundin, als sie feststellte, daß der Mann den Urlaub mit seiner etwa gleichaltrigen Frau verbrachte, die offenbar das Interesse ihres Mannes an dem Mädchen noch nicht bemerkt hatte. Ich schlug vor, meine Freundin solle keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber sie war überzeugt, dieser Mann werde bald sein »wahres Gesicht zeigen« und wir würden in Kürze ein Spektakel erleben, wenn die verachtete, wütende Ehefrau ihrem Ärger über den herzlosen Mann Luft mache, eine Aussicht, die meine Phosphor-Freundin mit einer Mischung aus Erregung, Entsetzen und Begeisterung erfüllte. Es stellte sich jedoch heraus, daß das hübsche Mädchen die Tochter des Paares war, eine Entdeckung, die die blühende Phantasie meiner Freundin wie eine Luftblase platzen ließ, sie aber auch erleichterte, denn sie konnte den Gedanken nicht ertragen, daß die Ehefrau unter dem Verhalten ihres Mannes schmerzlich gelitten hätte (Kent: »mitfühlend«).
Die Phosphor-Patientin ist im Sprechzimmer oft eine reine Freude, aber ihr Gesundheitsbewußtsein trübt den positiven Eindruck etwas. Auf der einenSeite übertreibt sie ihre Symptome, während sie andererseits ernstere Beschwerden ignoriert (besonders wenn sie fürchtet, es könne sich um eine lebensbedrohliche Krankheit handeln, und erst recht, wenn sie unter einer solchen leidet). Weil sie leichtgläubig ist und auch Angst vor Krankheiten hat (Kent: »fürchtet drohende Krankheiten«), probiert sie oft verschiedene traditionelle oder modische Therapien aus, während sie gleichzeitig zum Arzt oder Homöopathen geht. Wenn sich ihr Zustand dann verbessert oder auch nicht, führt sie das auf die verschiedenen Therapien zurück und behandelt ihre homöopathische Arznei genauso wie ihre anderen medizinischen »Krücken«. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie verworren Phosphor-Menschen oft denken. Die Ursache dafür ist ihre Unfähigkeit zu differenzieren, was zwar einerseits ganz reizvoll sein kann, andererseits aber auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führt.
Verantwortungslosigkeit und Realitätsverlust
Verantwortlichkeit gehört nicht gerade zu den Stärken von Phosphor,
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