Psychologische Homöopathie
Argentum ist ein faszinierender Konstitutionstyp. Man kann ihn leicht verfehlen, wenn die Pathologie überwiegend auf der körperlichen Ebene liegt, weil die ungewöhnlicheren geistigen Züge, die für ihn typisch sind, dann fehlen können. Der geistig gesunde Argentum-Mensch ist intelligent, geistreich und etwas exzentrisch; er ist mehr intellektuell orientiert als der durchschnittliche Phosphor-Typ und weniger egoistisch als der durchschnittliche Sulfur-Typ.
Körperliche Erscheinung
Körperlich ist Argentum im allgemeinen schlank und drahtig; die Hautfarbe kann hell oder dunkel sein. Entsprechend seinem intellektuellen Wesen sind die Gesichtszüge eher eckig als rund, und die Augen wirken oft scharf und elektrisierend. Im Gesicht wirkt Argentum jünger als er/sie ist, und in den Augenwinkeln findet man oft feine »Lachfältchen«. Das Gesicht ist im allgemeinen breit und spiegelt die Offenheit der Persönlichkeit. Im Hinblick auf die Kleidung hat Argentum vielfach einen ziemlich unkonventionellen Geschmack.
Arsenicum album
Grundzug: körperliche Unsicherheit
Um den Arsenicum-Menschen zu verstehen, muß man den »analen Typ« der Freudschen Terminologie verstehen. (Es ist schon ein bemerkenswerter Zufall, daß das saubere Arsen ein so mächtiges Abführmittel ist.) Nach Freud ist der anale Typ gefühlsmäßig in einem Stadium der frühen Kindheit steckengeblieben (allgemein als »Trotzalter« bekannt), wenn das Kind lernt, nein zu sagen, und seine Eltern durch Verweigerung straft, vor allem dadurch, daß es seinen Stuhl trotzig zurückhält. Der erwachsene anale Typ sagt immer nein, er leistet Widerstand und hält seinen Ärger zurück. Der anale Typ wird, um Freud zu zitieren, »ordentlich, geizig und halsstarrig. Geiz kann in der übertriebenen Form von Habgier erscheinen, und Halsstarrigkeit kann in Trotz übergehen, in dem sich Wut und Rachsucht leicht verbinden.« Mit diesen wenigen Worten hat Freud die meisten negativen Charakterzüge von Arsenicum zusammengefaßt. Wenn wir in Kents Repertorium nachsehen, finden wir Arsenicum unter den folgenden Rubriken: hartnäckig, pedantisch, Habgier und Wut. (Bezeichnenderweise war Freud selbst höchstwahrscheinlich konstitutionell ein Arsenicum-Typ, sowohl in seiner äußeren Erscheinung als auch im Charakter.)
Der Pedant
Als ich ein Kind war, pflegte meine Tante bei jeder Begegnung erst zu kontrollieren, ob meine Fingernägel sauber waren, bevor sie mich nach meinem Befinden fragte. Wenn meine Nägel zu lang waren, hatte sie ihre Schere bereit und schnitt sie mit der Autorität und dem Eifer eines Priesters, der einen heiligen Ritus vollzieht. In der Tat rangierte Sauberkeit für meine Tante gleich hinter Frömmigkeit. Meine Mutter tolerierte die ungebetene Nagelpflege; was sie jedoch verdrießlich stimmte, war Tantchens Angewohnheit, gleich wenn sie hereinkam, zum Kaminsims zu gehen und mit dem Finger darauf entlangzufahren, um zu sehen, ob es dort staubig war.
Arsenicum-Menschen versuchen in ihrer Umgebung Ordnung zu schaffen, in der Hoffnung, daß sich ihre Ängste dadurch beschwichtigen lassen. Sie sind die pedantischsten unter allen Konstitutionstypen (abgesehen von dermehr pathologisch-zwanghaften Pedanterie einiger Syphilinum- und Veratrum-Typen). Nux ist das einzige andere Mittel, das im Repertorium unter der Rubrik »pedantisch« aufgeführt wird, aber Nux geht es eigentlich mehr um Effizienz als um Ordnung, deshalb ist er am Arbeitsplatz oft sehr reinlich, aber nicht zu Hause. (Natrium und Causticum sollten unter der Rubrik »pedantisch« ergänzt werden.)
Arsenicum-Menschen haben einen unübertroffenen Blick fürs Detail. Oft wählen sie Berufe, in denen es auf peinliche Genauigkeit ankommt wie etwa Buchhaltung, Maniküre oder Feinmechanik. Arsenicum ist bei der Arbeit ein Perfektionist, besonders im Hinblick auf das endgültige Aussehen des Produktes, sei es nun ein Buchregal, eine Abrechnung oder ein Gemälde. Jedes i hat seinen Punkt, jedes t hat seinen Strich. Auch Natrium ist häufig sehr perfektionistisch bei der Arbeit, was dazu führt, daß einige Homöopathen die beiden Typen verwechseln. Es gibt in dieser Beziehung jedoch subtile Unterschiede. Natrium ist sehr selbstkritisch und fühlt sich schuldig oder als Versager, wenn seine Arbeit nicht perfekt ist. Dabei handelt es sich eigentlich um einen Kompensationsmechanismus für das Gefühl, wertlos zu sein. Arsenicum wird dagegen mehr durch seine Angst vor dem Chaos und durch seine mangelhafte
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