Psychologische Homöopathie
andere Leute in Schulden treibt. Er ist nicht nur geizig, sondern auch zwanghaft pünktlich und drängt anderen seine eigenen Standards unnachgiebig auf. Aber selbst Scrooge hat ein Herz, und wie er lernen viele Arsenicum-Typen, ihre strengen finanziellen Maßstäbe zugunsten von humaneren Überlegungen zu lockern.
Hypochondrie ist ein anderer Ausdruck der körperlichen Unsicherheit von Arsenicum (Kent: »Krankheitswahn«). Die Furcht vor Krankheit kann zu einer Art Sauberkeitszwang führen (wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie bei dem nahe verwandten Syphilinum), außerdem zu einer zwanghaften Beschäftigung mit Ernährungsfragen. Der Arsenicum-Hypochonder kann jeden Tag pfundweise Nahrungsergänzungsmittel in sich hineinstopfen, um Krankheiten vorzubeugen, und er wird wahrscheinlich jedes verfügbare Gesundheitsmagazin abonnieren. Weit verbreitet sind auch zwanghafte Stuhlgewohnheiten. Die Arsenicum-Frau kann sich – um uns an Freuds Beschreibung des analen Typs zu halten – übermäßige Sorgen über ihre eigenen Stuhlgewohnheiten (und die ihrer Kinder) machen, selbst wenn keine Verstopfung vorliegt. (Diese Art von Besessenheit tritt bei Frauen öfter auf als bei Männern.) Alte Darnen, die von Abführmitteln abhängig geworden sind und schließlich wegen Kaliummangel im Krankenhaus enden, sind oft Arsenicum-Typen.
Krankheit nimmt der Arsenicum-Patient meist sehr ernst. Wenn er kleinere Beschwerden wie Erkältungen hingebungsvoll mit Vitamin C, Inhalationen oder sogar Bettruhe behandelt, dann mag das sehr vernünftig wirken, aber hinter diesem vorsichtigen und gründlichen Vorgehen steckt die Furcht, ernsthaft krank zu werden und möglicherweise zu sterben. Die ängstlicheren Mitglieder der Arsenicum-Familie empfinden eine reale Furcht davor, sich zu erkälten oder einen Husten zu bekommen; das hängt mit der grundlegenden Arsenicum-Furcht vor körperlicher Auslöschung zusammen.
Einige Arsenicum-Typen sind so hypochondrisch, daß sie schließlich Heerscharen von Ärzten und Therapeuten verbrauchen, die einer nach demanderen für unfähig befunden werden, weil sie die tödliche Krankheit nicht erkennen, unter der der Patient mit Sicherheit zu leiden glaubt. Krebsangst ist bei Arsenicum besonders verbreitet. Die leichtesten Symptome können einen furchtsamen Arsenicum-Typ überzeugen, daß er Krebs hat, und ihn veranlassen, zum Arzt zu gehen, bevor es zu spät ist. Bezeichnenderweise ist Arsenicum tatsächlich konstitutionell anfälliger für Krebs als die meisten anderen Typen. Man könnte argumentieren, daß die permanente Furcht vor einer tödlichen Krankheit dazu führt, daß sich diese allmählich im Körper manifestiert, aber auch andersherum, daß Arsenicum zumindest unterbewußt wahrnimmt, daß er für Krebs anfälliger ist als die meisten anderen Menschen.
Selbst relativ ausgeglichene Arsenicum-Typen ergreift von Zeit zu Zeit eine Angst vor dem Tod. Sie fühlen sich ebenso unwohl auf Beerdigungen wie bei der Nachricht vom Tod eines entfernteren Bekannten oder wenn es in einer Unterhaltung um den Tod geht. Der Tod ist das Ietzte, unkontrollierbare Unbekannte, und der bloße Gedanke daran läßt in einem sicherheitsbewußten Arsenicum-Gehirn Ängste entstehen. Auf ähnliche Weise fürchtet sich Arsenicum davor, in der Dunkelheit allein zu sein, und seine Beschwerden und Ängste tendieren dazu, bei Nacht stärker zu werden, besonders in der Zeit nach Mitternacht, wenn das Unbewußte leichter zugänglich ist und das Chaos an die Tür klopft. (Es ist auffallend, daß Syphilinum, ein Arsenicum nahe verwandtes Mittel, ganz im Gegenteil dazu eine Art Liebesbeziehung zu allem pflegt, was mit dem Tod zu tun hat.)
Ängstlichkeit
Arsenicum ist eins der wichtigsten »Angstmittel«. Bei einem relativ ausgeglichenen Menschen ist Angst vielleicht kein großes Problem. Sie mag gelegentlich aufflackern als eine irrationale Furcht davor, daß das Geld nicht ausreicht, daß der Fleck auf dem Arm bösartig ist oder daß die Kinder ernsthaft krank sein könnten. Die meisten Arsenicum-Menschen haben ihr Leben gut unter Kontrolle und können eine Menge Streß aushalten, bevor ihre Verteidigungsmechanismen zusammenbrechen. Folglich wirken viele Arsenicum-Patienten auch im Sprechzimmer nicht besonders ängstlich. Vor allem die jüngeren wirken meist zuversichtlich und furchtlos. Erst wenn das Leben Arsenicum ein paar heftige Stöße versetzt hat, beginnt er in größerem Ausmaß ein Opfer seiner Angst zu werden. Bis dahin
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