Psychologische Homöopathie
Kalium-carbonicum-Patienten ist, wie das des Mittels selbst, schwer zu durchschauen. Das Mittel wird nicht so oft angewendet, wie es an sich möglich und angebracht wäre …« Kalium ist ein verschlossener Typ, und deshalb ist es für den Homöopathen schwer, so viel Information über seinen Charakter zu bekommen, daß er zu fassen wäre. Die alten Arzneimittellehren vermitteln nur ein bruchstückhaftes Bild der Kalium-Persönlichkeit, und als Folge davon verfehlt der Homöopath das Mittel öfter, als er es trifft.
Die meisten geistigen Charakteristika kann man als Manifestationen der »Essenz« des Typs verstehen, die Starrheit ist. Der erste Eindruck, den man von Kalium carboni cum bekommt, ist eine gewisse Förmlichkeit, eine Steifheit, die sich als mangelnde Entspannung von Körper und Geist äußert. Kalium-Menschen fällt es schwer, ihr Haar wirklich offen zu tragen. Das kann man am deutlichsten auf Partys und in Diskotheken beobachten, wo Kalium sich angesichts der spontanen Ausgelassenheit anderer Leute noch stärker als üblich gehemmt fühlt. Selbst der Gang von Kalium ist meist recht steif (und diese Steifheit fällt besonders auf, wenn er es wagt, den Tanzboden zu betreten).
Konventionalität
Kalium-Menschen wirken verantwortlich, seriös und konventionell. Ein Kalium-Freund erzählte mir, es sei ihm zeit seines Lebens schwergefallen, sich zu amüsieren, weil er sich immer so sehr darum bemüht habe, das Richtige zu tun. Kalium ist von allen Konstitutionstypen der konventionellste. Seine Angst vor Veränderungen sorgt dafür, daß er alles ablehnt, was nicht bewiesen und nicht vertraut ist. Der charakteristischste Weg, das zu tun, besteht darin, sich stur »buchstabengetreu« zu verhalten. Ein Kalium-carbonicum-Angestellter wird sich genau an die Einzelheiten seiner Arbeitsplatzbeschreibung halten, seinePflichten pünktlich wie ein Uhrwerk erfüllen und sich niemals vordrängen, um etwas Ungewöhnliches oder Gefährliches zu tun. Am deutlichsten sieht man das bei Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, bei kleinen Beamten und anderen Menschen in untergeordneten Positionen wie beispielsweise Verkehrspolizisten. Der Kalium-Beamte wird niemals die Regeln verletzen. Das ist ihm sein Job nicht wert. (Auf der anderen Seite achtet Kalium sehr auf die öffentliche Meinung und auf jede Bedrohung der eigenen Position, und deshalb könnte er dazu gezwungen sein, die Regeln heimlich zu verletzen. Kalium-Politiker beispielsweise müssen sich genau wie andere Politiker auf heimliche Abmachungen einlassen, um an der Macht zu bleiben.)
Kaliums geistige Starre führt dazu, daß er unfähig oder unwillig ist, allgemeine Regeln an besondere Umstände anzupassen. So kann ein Kalium-Polizist beispielsweise ein Protokoll wegen Haltens im Halteverbot schreiben, obwohl der Autofahrer nur wegen einer Motorpanne angehalten hat. Das geschieht nicht aus Böswilligkeit, sondern weil Gesetz nun mal Gesetz ist, das der Polizist nicht flexibel zu interpretieren wagt, weil er Angst hat, dadurch in Schwierigkeiten zu kommen. Kalium versucht, Schwierigkeiten zu vermeiden, indem er sich an bewährte Regeln hält, seien es nun die Gesetzestexte eines Landes, ein religiöser Verhaltenskodex, eine Berufsordnung oder Werte, die von den Vorfahren übermittelt wurden. Ein typisches Beispiel dafür ist der kommunistische Gewerkschaftssekretär, der eine sehr förmliche, politisierende Sprache pflegt und seine Aussagen dadurch zu rechtfertigen versucht, daß er die Terminologie von Marx und Lenin benutzt, um seiner Position mehr Gewicht zu verleihen. In einem größeren Rahmen sind das indische Kastensystem und die inhumane bürokratische Monstrosität des alten Sowjetsystems Beispiele des rigiden Konservatism us, der für Kalium typisch ist.
Ich habe einmal mit einer homöopathischen Ärztin zusammengearbeitet, die perfekt die Buchstabentreue von Kalium demonstrierte. Sie hatte große Angst davor, das Mißfallen ihrer nichthomöopathischen Kollegen zu erregen, und eine Folge davon war ihre Angst, Erstverschlimmerungen bei den Patienten auszulösen. Um das zu vermeiden, verordnete sie nur die C30-Potenzen, wenn sie konstitutionell behandelte. Sie legte großen Wert darauf, daß ihre Patienten alle orthodoxen Medikamente weiternahmen, die schulmedizinisch für ihren Zustand indiziert waren, und zusätzlich die homöopathischen Arzneien. Auch das geschah, um ihre Position als Ärztin nicht zu gefährden. Ihre Angst vor Schwierigkeiten war so
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