Psychose: Thriller (German Edition)

Vorräte an Lebensmitteln, die wir verpacken und in die Stadt bringen.«
    »Ich habe auch Kühe gesehen. Haben Sie die ebenfalls eingefroren?«
    »Nein, wir haben nur einige Embryos in Stasis versetzt und dann eine künstliche Gebärmutter verwendet.«
    »2012 gab es so etwas noch nicht.«
    »2030 schon.«
    »Wo ist Pilcher jetzt?«
    Jenkins grinste.
    »Sie?«, meinte Ethan staunend.
    »Ihre Kollegen Kate Hewson und Bill Evans … Als sie in Wayward Pines verschwunden sind, waren sie auf der Suche nach mir. Ein Teil meiner Aktivitäten war dem Secret Service aufgefallen. Aus diesem Grund sitzen Sie auch jetzt vor mir.«
    »Sie haben Bundesagenten entführt? Sie eingesperrt?«
    »Ja.«
    »Und so viele andere …«
    »Neben meiner handverlesenen und außerordentlich großzügig vergüteten Crew konnte ich wohl kaum viele Freiwillige für ein derartiges Unterfangen finden.«
    »Also haben Sie Menschen entführt, die nach Wayward Pines gekommen sind.«
    »Einige sind in die Stadt gekommen und ich habe sie dort erwischt. Andere habe ich selbst ausgesucht.«
    »Wie viele?«
    »Sechshundertundfünfzig wurden im Verlauf von fünfzig Jahren einberufen.«
    »Sie sind ein Psychopath.«
    Pilcher schien über die Anschuldigung nachzudenken und seine dunklen, kalten Augen sahen gedankenverloren aus. Ethan sah dem Mann zum ersten Mal richtig ins Gesicht und erkannte, dass der rasierte Schädel und die gesunde Haut Pilchers Alter Lügen straften. Der Mann musste Anfang sechzig sein. Vielleicht auch älter. Bis zu diesem Moment hatte Ethan seine außerordentlich präzise und kontrollierte Art zu sprechen als Spleen abgetan, als List eines Psychiaters, aber jetzt begriff er, dass sie eigentlich der deutliche Beweis für einen überragenden Intellekt war. Ihm ging auf, dass er hier draußen im Wald vor einem der klügsten Köpfe saß, denen er je begegnet war. Dieses Wissen war gleichzeitig aufregend und angsteinflößend.
    Schließlich meinte Pilcher: »Das sehe ich anders.«
    »Ach ja? Wie denn?«
    »Ich sehe mich eher als … den Retter unserer Spezies.«
    »Sie haben Menschen von ihren Familien entführt.«
    »Sie haben es immer noch nicht begriffen, oder?«
    »Was denn?«
    »Was Wayward Pines ist. Ethan … Es ist die letzte Stadt auf der Erde. Eine lebendige Zeitkapsel für unsere Lebensart. Für den amerikanischen Traum. Die Einwohner, die Crew, ich, Sie … Wir sind alles, was von der Spezies
Homo sapiens
noch übrig ist.«
    »Und woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich habe im Laufe der Jahre einige Aufklärungstrupps losgeschickt. Die, die zurückgekommen sind, haben von überaus feindseligen Bedingungen berichtet. Ohne den Schutz und dieInfrastruktur eines Ortes wie Wayward Pines konnte niemand überleben. Seit meine Crew vor vierzehn Jahren die Suspension verlassen hat, senden wir ein ständiges Notsignal über eine Funkbarke, und zwar auf jeder bekannten Notfallfrequenz. Ich habe sogar die Koordinaten von Wayward Pines übermittelt, falls es da draußen noch irgendwo Menschen geben sollte. Bis jetzt ist noch niemand vor unserer Tür aufgetaucht. Niemand hat je versucht, den Kontakt herzustellen. Ich habe gesagt, dass das hier Boise wäre, aber das stimmt nicht. Es gibt kein Boise, kein Idaho, kein Amerika mehr. Diese Namen besitzen keine Bedeutung mehr.«
    »Wie hat alles geendet?«
    »Das werden wir wohl nie erfahren. Ich bin kurz nach Ihnen in die Suspension gegangen, weil ich nach dem Aufwachen noch fünfundzwanzig Jahre in Wayward Pines verbringen wollte. Und nach 2032 schliefen wir alle im Inneren des Berges. Aber wenn ich raten soll, würde ich vermuten, dass sich 2300 die Abnormalitäten gehäuft haben. Und da die Evolution vor allem auf der Vielfalt beruht, konnte man uns 2500 vermutlich schon als völlig neue Spezies einstufen. Jede Generation veränderte sich weiter, um in dieser vergifteten Welt überleben zu können. Und sie wurde immer weniger menschlich.
    »Sie können sich die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen bestimmt vorstellen. Eine ganze Zivilisation, errichtet von der Menschheit, brach zusammen. Ich schätze, es hat Völkermorde gegeben. Vielleicht kam das Ende über vierzig schreckliche Jahre, vielleicht hat es aber auch eintausend Jahre gedauert. Möglicherweise wurden Milliarden aber auch durch einen groß angelegten Nuklearangriff ausgelöscht. Wir werden es nie genau erfahren. Wir wissen nur, was jetzt da draußen ist.«
    »Was denn?«
    »Abscheulichkeiten. Wir nennen sie Abbys.