Psychose: Thriller (German Edition)
sich, ob sie ihn hören kann.
Er stöhnt und er weint.
Er versucht, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass sein Ende nahe ist.
Selbst Jahre später ist es vor allem dieser Moment, als er alleine in der Dunkelheit hängt und nichts als den Schmerz und seine Gedanken hat, während er auf den nächsten Tag wartet, der ihn heimsucht.
Immer wartet er auf Aashifs Rückkehr.
Und er fragt sich, wie sein Sohn oder seine Tochter wohl aussehen wird.
Für welchen Namen sich Theresa entscheiden wird.
Ob sie ohne ihn klarkommen wird.
Sie wird ihm vier Monate später, als sie in ihrer Küche in Seattle am Esstisch sitzen und draußen der Regen ans Fenster prasselt, sagen: »Es ist, als wärst du nie zurückgekommen, Ethan.«
»Ich weiß«, wird er erwidern, während die Schreie seines Sohnes aus dem Babyfon dringen und er denkt:
Aashif hat mir nicht nur körperlich eine Menge genommen.
Und dann geht die Tür endlich auf, grelles Licht dringt in den Raum und holt Ethan ins Bewusstsein und in den Schmerz zurück.
Als sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt haben, sieht er nicht etwa Aashifs Silhouette vor sich, sondern das Profil eines SEAL in voller Kampfmontur, mit einem M-4 mit ACOG in der Hand, aus dessen Lauf noch Rauch aufsteigt.
Er leuchtet Ethan an und sagt mit dickem Texasakzent: »Großer Gott.«
Theresa glaubt, die Wunden am Bein stammen vom Unfall.
Der SEAL ist ein Sergeant namens Brooks und er trägt Ethan auf dem Rücken eine schmale Treppe hinauf und aus dem Kerker im Keller in eine Küche, in der Fleischstücke in einer Pfanne brutzeln.
Frühstück interruptus.
Drei arabische Männer liegen im Flur und fünf weitere Mitglieder des SEAL-Teams stehen in der engen Küche. Einer von ihnen kniet neben Aashif und wickelt ein Stück Stoff um dessen Knie, wo er aus einer Schusswunde blutet.
Brooks setzt Ethan auf einen Stuhl und knurrt seinen Sani an: »Geh da weg.« Er sieht Aashif an. »Wer hat diesen Soldaten verletzt?«
Aashif antwortet ihm auf Arabisch.
»Hab keinen Schimmer, was zum Henker Sie eben gesagt haben«, knurrt der Soldat
»Er war es«, sagt Ethan. »Er hat mir das angetan.«
Einen Moment lang gibt es in der Küche nichts außer dem Geruch des bratenden Fleisches und des verschossenen Schießpulvers.
»Abholung in zwei Minuten«, sagt Brooks zu Ethan. »Das ist der einzige Schwanzlutscher, der noch übrig ist, und in diesem Raum wird niemand ein Wort über das verlieren, was Sie jetzt tun.«
Der Soldat neben dem Herd, der ein Präzisionsgewehr in der Hand hält, sagt: »Verdammt richtig.«
»Können Sie mir hochhelfen?«, bittet Ethan.
Brooks hievt Ethan vom Stuhl und Ethan stöhnt, als er sich durch die Küche auf Aashif zubewegt.
Als sie vor ihm stehen, zieht der SEAL eine SIG.
Ethan nimmt sie ihm aus der Hand und überprüft, ob sie geladen ist.
Monate später fragt er sich, ob er es nicht getan hätte, wenn es ein Film gewesen wäre. Wäre er nicht auf dieselbe Stufe wie dieses Monster gesunken? Aber die nackte Wahrheit ist, dass es Ethan nie in den Sinn kommt, es
nicht
zu tun. Und obwohl er später ständig von dem Absturz und allem, was ihm Aashif antut, träumt, sucht ihn dieser Moment nicht heim. Er wird sich nur wünschen, dass er länger gedauert hätte.
Ethan ist nackt, kann nur mit Brooks Hilfe auf den Beinen stehen, und sein Bein sieht aus, als könnte es genauso gut in einer Fleischerei hängen.
Er fordert Aashif auf, ihn anzusehen.
In der Ferne kann er das Geräusch eines näher kommenden Black Hawk hören.
Abgesehen davon ist es mucksmäuschenstill auf der Straße.
Der Folterer und der Gefolterte sehen sich lange Sekunden in die Augen.
»Sie gehören noch immer mir, vergessen Sie das nicht«, sagt Aashif.
Als er lächelt, schießt ihm Ethan zwischen die Augen.
Als er das nächste Mal zu sich kommt, lehnt er am Fenster des Black Hawk und starrt einhundert Meter nach unten auf die Straßen von Falludschah, während ihm Brooke ins Ohr brüllt, dass er in Sicherheit ist, dass er nach Hause fliegen wird und dass seine Frau vor drei Tagen einen Jungen zur Welt gebracht hat.
KAPITEL 18
Ethan schlug die Augen auf.
Sein Kopf lehnte an einem Fenster und er starrte auf ein bergiges Gelände herab, das mit 250 km/h unter ihm vorbeiraste. Er vermutete, dass sie in etwa siebenhundertfünfzig Metern Höhe flogen. Nach seiner Rückkehr aus dem Irak hatte er sechs Monate lang einen Rettungshubschrauber geflogen, bevor er sich beim Secret Service bewarb,
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