Psychosomatische Homoeopathie
nützlich, sind tüchtig und deshalb an jeder Arbeitsstelle hochwillkommen. Zugleich aber könnensie bei Verletzungen der Privatsphäre ungewöhnlich scharf und verletzend reagieren.
Urtica-Typen treiben gerne Sport, da sich hierdurch zahlreiche Beschwerden lindern lassen und auch die innere Unruhe abnimmt, die für diese Menschen typisch ist. Auslöser dieses Konstitutionstyps sind dominante Menschen in der Umgebung, die über sie bestimmen und die sie über Jahre kontrollieren. Anfangs reagiert der Urtica-Typ mit Verschwiegenheit, wechselnd mit Zornesausbrüchen und Fluchtreaktionen. Er neigt zu Tagesträumen, in denen er sich leicht fühlt und schwebt und sich alle Wünsche für ihn erfüllen. Deshalb neigt er im Laufe der Zeit auch zu Aufputschmitteln bis hin zum Alkoholismus, um sich das Leben erträglicher zu machen. Im Alltag ist er durchaus leistungsbewusst, führt aber ein isoliertes Leben, da sein beständiger Freiheitsdrang und seine Kompromisslosigkeit es ihm erschweren, dauerhafte Beziehungen zu führen.
Veratrum album (Weißer Germer)
Polychrestpunkte: 2
Vorwiegend für Männer
Man kann den Einfluss, den Geschwister auf das Leben von Menschen haben, kaum überschätzen. Gewissermaßen stellen die Eltern, ohne es zu wollen, eine Messlatte auf, die dann von den Kindern erreicht werden soll. Das gilt sowohl für den beruflichen als auch den privaten Bereich, und wenn eines der Kinder dann in mehreren Bereichen „scheitert“, entstehen daraus häufig Verwicklungen, die in psychosomatischen Krankheiten münden.
Das ist bei keiner anderen Arznei so augenscheinlich wie bei Veratrum album. Diese Menschen haben immer sehr erfolgreiche Verwandte. Man nehme das Beispiel des 39-jährigen Patienten, der mich wegen eines Kollapses als Notarzt zu sich in seine Wohnung rief. Er litt unter einer akuten Darmverstimmung mit heftigem, wässrigem Durchfall, wobei er wegen des Blutdruckabfalls kurz davor war, „umzukippen“ und in Ohnmacht zu fallen. Sein Gesicht war ungewöhnlich blass und leidend und seine Hände und Füße waren eisig kalt. Für diese Fälle hält die Homöopathie gerne Arsenicum album oder eben Veratrum album bereit, und da die Wohnung des Patienten von ihm selbst in einem eigenwilligen Stil, aber durchaus geschmackvoll eingerichtet worden war, entschied ich mich für Letzteres. Alle Patienten, die ich bisher mit Veratrum album erfolgreich behandelt habe, hatten eine Vorliebe für die Farbe Schwarz und ein Interesse für Kunst. Diese Menschen blättern gerne in Zeitschriften, die sich mit Design, Architektur oder Mode beschäftigen. Sie treten gerne als die Feinsinnigen auf, die über Geschmacksdinge Bescheid wissen und auch anderen gerne Tipps geben, wie sie selbst ihr Leben mit Kunst bereichern können.
Auch mein Patient gehörte in diese Kategorie. Er stammte aus einer Familie erfolgreicher Anwälte. Sein Vater war mit einem seiner Brüder in einer sehr erfolgreichenKanzlei tätig, der andere war bereits in jungen Jahren zum Aufsichtsratsmitglied eines Großunternehmens aufgestiegen. Einzig mein Patient hatte es bislang noch zu „nichts“ gebracht. Er hatte Germanistik und Kunstgeschichte studiert und einige Praktika gemacht. Zur Zeit verdiente er sich ein bisschen Geld damit, Artikel zu schreiben oder irgendwo in Teilzeit zu arbeiten. Im Wesentlichen aber lebte er von den Zuwendungen seiner Familie und dachte auch viel darüber nach, was er von dieser Seite erben würde. Dass er die Messlatte, die in seiner Familie sehr hoch lag, trotz erheblicher Anstrengungen verfehlt hatte, zeigte sich auch im privaten Bereich. Dass seine Brüder seit Jahren in (wenn auch wechselnden) Ehen lebten und Kinder hatten, führte bei ihm als chronischen Single dazu, sich auch auf dieser Ebene als Versager zu fühlen. In dieser Situation verlegt er sich darauf, durch Teilnahme an einem Computerclub, der sich dem Kampf gegen die Firma Microsoft verschrieben hatte, etwas gegen die Apathie der Menschheit zu tun. In diesem Club wurde er, wie ich einmal von anderer Seite erfuhr, eher als Störfaktor wahrgenommen. Er äußerte sich kritisch über die meisten Kommentare, und das oft mit einem beißenden, schneidenden Humor – nie aber in der öffentlichen Diskussion, sondern immer in den Gesprächen danach oder dazwischen. Auch auf Partys neigte er dazu, über alle möglichen Menschen und Institutionen zu lästern. Wenn er jemanden mochte, dann zeigte er es gern, indem er denjenigen umarmte oder sogar küsste, was
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