Psychosomatische Homoeopathie
brauchen, dasHauptsymptom „irritated and confused“, und damit ist eigentlich alles gesagt. Diese Menschen sind nicht nur unentschlossen und ratlos, sie sind auch zögerlich, verrennen sich in Situationen, und haben bald den Eindruck, in ihrem Leben einen Fehler nach dem anderen zu machen. Dazu gehört auch, dass sie sich sozial isolieren. Wenn diese Menschen eine gute Freundin haben, dann liegt das an der Freundin, die geduldig, loyal und belastbar ist. Ihnen dagegen mangelt es an Loyalität, sie versprechen Liebe, aber sie sind recht wankelmütig und beenden Beziehungen, sobald das Bild, das sie sich vom anderen gemacht haben, mit der Wirklichkeit nicht mehr in Deckung zu bringen ist. Die Neigung, schnell Beziehungen einzugehen und zu beenden, hat heutzutage stark zugenommen, weshalb ich meine, dass Ignatia, dieses alte Heilmittel gegen Trauer und Liebeskummer, viel öfter zum Einsatz kommen müsste. Nach meiner Erfahrung eignet es sich auch für Lebenskrisen, in denen man nicht weiter weiß. Es hilft einerseits, konsequenter den eigenen Weg zu gehen. Andererseits aber lehrt es uns auch, mit unseren Mitmenschen rücksichtsvoller umzugehen.
Ich gab der Patientin Ignatia C30. Als ich ihr einen Monat später zufällig auf der Straße begegnete, fiel mir auf, dass ihre Gesichtshaut nicht mehr so durchscheinend und die Rötung um die Augen und die Nase nicht mehr vorhanden war, und das, obwohl das Wetter kühl war. Ich fragte sie, was nun mit ihrem Infekt gewesen sei. „Davon habe ich nicht mehr viel gespürt. Das ist besser geworden“, sagte sie. Wir sprachen über ihre Berufsaussichten und ob es ihr nun gelungen war, die letzten Arbeiten noch abzuliefern, und da wurde sie ausweichend und meinte, es gehe ihr zwar besser, aber da habe sich eigentlich nicht viel getan. Wo sie vorher nur ratlos bei sich zu Hause herumgesessen habe, sei sie nun zwar wieder aktiver geworden, gehe auf Menschen zu und mache einen Sprachkurs, doch was das Studium betreffe, habe sie noch nicht die Kraft gehabt, zu ihren Arbeiten zurückzukehren. Sie sehe auch keinen Sinn mehr darin, damit noch anzufangen. „Dann ist Ignatia zwar heilsam für Sie gewesen, aber ich würde es ihnen jetzt gerne noch einmal in der Potenz C200 geben“, meinte ich. Gesagt, getan. Zwei Wochen später wäre die Patientin eigentlich bei mir bestellt gewesen, doch sie rief vorher an und sagte: „Ich habe keine Zeit, zu kommen, und ich glaube, es ist gar nicht mehr nötig. Ich stecke voll in meiner Diplomarbeit, und es geht voran, und das ist gut so.“
Über das Mittel
Ignatia ist eine homöopathische Zubereitung der philippinischen Ignazbohne. Ignatia hat viel mit anderen Strychnos-Gewächsen wie Nux vomica und Gelsemium gemeinsam, denn alle drei werden bei Rastlosigkeit und Verkrampfung eingesetzt. Strychnin ist ein Krampfgift, das vor allem Atembeschwerden verursacht, und Menschen, die Ignatia brauchen, klagen meist über Beschwerden im Bereich zwischen Mundhöhle und Oberbauch. Wenn es ihnen schlecht geht, seufzen sie, um sich Luft zu verschaffen, weil es ihnen alles zuschnürt. Eine quälende Bronchitis mit nächtlichem Reizhusten konnte bei dieser Patientin mit der Gabe von Ignatia zum Abklingen gebracht werden werden.
Ignatia wird auch gerne bei sanften, leidenden Menschen mit Magenschmerzen eingesetzt, die als Folge von Kummer auftreten. Gewichtsverlust, Essstörungen, Halsschmerzen, vor allem Mandelentzündungen, all das kann sich bei diesen Menschen wieder normalisieren, wenn man auf den seelischen Kernkonflikt reagiert: Kummer durch Liebesentzug.
Der klassische Ignatia-Typ, den man in homöopathischen Standardwerken beschrieben findet – die seufzende Dame, die ihrer großen Liebe hinterherweint – begegnet einem auch heute noch. Es ist in der Regel eine schlanke, hübsche Frau, die großen Wert auf ihr Äußeres legt und meist beruflich im Bereich von Kunst und Kultur zu Hause ist. Eigentlich aber will sie die große Liebe finden und stürzt sich dabei in Beziehungen, die bei nüchterner Betrachtungsweise wenig Erfolg versprechend sind. Zuerst blüht sie richtig auf, bald aber stimmen Traum und Wirklichkeit nicht mehr überein. Dann liegt sie nachts im Bett mit zugeschnürter Kehle und kann nicht schlafen. Sie gerät völlig außer sich und weiß nicht mehr, wer sie ist und was sie will. Sie kann um fünf Uhr morgens bei ihrem Geliebten auftauchen, um ihn voller Liebessehnsucht zu wecken und dann wieder jeden Versuch einer ernsthaften Beziehung
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