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Psychotherapeuten im Visier

Psychotherapeuten im Visier

Titel: Psychotherapeuten im Visier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Reiners
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verhängnisvolle Verbindung ein – nicht zwingend, aber eben doch häufig. Wann die Schwelle im Rahmen eines solchen seelischen Erlebens zur Depression überschritten wird und warum, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass es den Weg heraus aus der Verzweiflung und dem Dunkel des Lebens gibt. Worte allein sind oft nicht eindrucksvoll genug, um einen Menschen zurück ins Leben zu holen. Frühere Enttäuschungen wirken wie ein Radiergummi bei guten Worten, unser Gehirn bilanziert dann lieber die schlechten Erfahrungen, der gerade positiv erlebte Zuspruch wird nicht wirklich ernst genommen. Medikamente können den Radiergummieffekt vorübergehend ausschalten. Warum also nutzen wir ihn nicht?
    Ich kann jeden verstehen, der im Alter einsam, irgendwann lebensmüde wird und die Welt zu fliehen sucht. Das Leben heute gehorcht anderen Gesetzen als denen zur Zeit des Cicero und ein gutes Leben bis ans Ende ist nicht unbedingt eine Frage des Charakters. Wer so urteilt, hat die heutige
Welt nicht verstanden oder er blendet sie zynisch und egoistisch aus. Nur: Wer einmal in ein mürrisches Fahrwasser geraten ist, wird seinen Kurs nicht mehr ändern können. Da stimme ich Cicero zu.
    Wenn der Mensch wirklich ein soziales Wesen ist – was mir zunehmend zweifelhafter erscheint –, dann sollte er sich im ureigenen Interesse auch einem sozialen Leben verpflichtet fühlen, was in der Wortbedeutung nichts anderes heißt, als gesellig zu sein. Gesellig? Ja, gesellig. Es würde uns allen guttun. Nur dann begreift auch der Egozentriker irgendwann, wie tödlich Einsamkeit sein kann. Und wir hätten das, wonach wir uns doch alle so sehr sehnen: eine bessere Welt.

Die elektronische Therapie? Längst überfällig!
    Seit einigen Jahren beschäftigt mich die Frage, was dem Patienten helfen könnte, nicht nur von der Face-to-Face -Therapie zu profitieren, sondern auch selbst in dem immer als zu lang empfundenen Intervall zwischen den Sitzungen etwas für sich tun. In meinem Buch »Was aus der Depression hilft«, hatte ich 2009 für den Anhang einen Tagesplan konzipiert, der ähnlich wie bei einem Gebetsstundenbuch, seit dem 13. Jahrhundert bestens erprobt, dem Leser damals feste Zeiten für religiös-rituelle Handlungen vorgibt, um dem Tag des Gläubigen in seiner Religiosität sowohl Struktur als auch Halt zu geben. Ich bedaure sehr, dass sich der Mensch in unserer westlichen Welt immer mehr von einst ganz selbstverständlichen Ritualen entfernt, seien es nun religiöse oder gesellschaftliche. Zu viel Freiheit in der Auswahl der unzähligen Möglichkeiten macht das Leben ja nicht unbedingt einfacher.
    Das von mir verfasste Stundenbuch war in Vormittag,
Nachmittag und Abend eingeteilt. Es beginnt morgens mit einem vom Leser selbst bestimmten Zeitpunkt des Aufstehens und der dann zu verrichtenden Tätigkeiten. Ein ähnlicher Ablauf ist für den Nachmittag und Abend vorgesehen. Jeweils am Abend des Vortages werden die Tätigkeiten mit Uhrzeit eingetragen, die er sich für den nächsten Tag vorgenommen hat. Es ist ein kleines Hilfsmittel, das im Einhalten seine Selbstverpflichtung unterstützen kann. Am Ende seines erlebten Tages überprüft der Benutzer noch einmal selbst, ob er alle Vorhaben, die er gern angehen wollte, auch umgesetzt hat. Diese Selbstprüfung zeigt ihm an, wie sich die Stimmung über den Tag hin im Vergleich zu den vorangegangenen geändert hat, ob sie stabil bleibt oder absinkt, wann welche Aktivitäten nicht geschafft wurden und wann andere, die schier unüberwindbar schienen, dann doch bewältigt werden konnten.
    Ich halte diese tägliche Unterstützung während des Therapieprozesses für unerlässlich. Ich hatte die Idee damals dem Chefarzt einer psychiatrischen Universitätsklinik vorgeschlagen mit der Bitte, doch einmal einen Testlauf mit 50 Patienten zu starten. Meine Hypothese war, dass der Gedanke eines Stundenbuches den Nutzern zusätzlich helfen könnte, über den Tag zu kommen. Die Therapeuten wiederum würden an den eingetragenen Erlebnissen feststellen können, wie es dem Patienten nachweislich wann und zu welcher Stunde gut oder auch nicht gut geht – und wenn es nur ein Gesprächsimpuls war. Gerade in der Depression täuscht uns das Gedächtnis und wir geben nur das als Auskunft ab, was uns gerade noch einfällt. Vieles an Eindrücken aber geht über den Tag verloren. Hier sollte das Stundenbuch auch dazu beitragen, wie ein Fahrtenschreiber verlässlichere Daten zu liefern.

    Nach 14 Tagen – ich hatte

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