Pubertät – Loslassen und Haltgeben
Väter ihre Frauen mit «Mutti», Mütter ihre Männer mit «Papa» anreden.
Wenn die Kinder in die Pubertät kommen, so verändern sich die elterlichen Aufgaben. Eltern stellen fest: Erziehung ist nicht alles. Und diese Entdeckung macht manchmal Angst. Man fürchtet sich davor, plötzlich mit leeren Händen dazustehen. Dieser Angst ist nur offensiv zu begegnen, indem man die Beziehung neu gestaltet, als Paar veränderte Umgangsformen entwickelt, sodass aus dem Partner ein Begleiter, aus der Partnerin eine Begleiterin wird. Beide Partner sollten sich vorstellen können, auch den zukünftigen Weg gemeinsam zu gehen, zusammen alt zu werden. Verabschieden sich Eltern nicht von ihrer Rolle und interpretieren diese neu, stellt sich das Gefühl von Leere ein. Die Perspektivlosigkeit wird durch ein starres Klammern an die Kinder ausgeglichen.
In Beratungsgesprächen fällt mir auf, dass nicht nur die Mütter schwer von ihrer Rolle lassen. Häufig haben Väter Probleme damit, sich dieser Entwicklungsaufgabe zu stellen und die Beziehung zu ihrer Partnerin neu zu gestalten.
«Ich habe letztes Jahr», so Erna Schneider, «mit meinem Mann den ersten Urlaub allein seit zwanzig Jahren gemacht. Die vier Kinder sind jetzt aus dem Haus. Sonst waren ja immer Kinder dabei – zumindest eines. Ich hab die Reise gebucht – acht Tage Teneriffa. Nicht länger. Ich hab mir nicht mehr zugetraut, weil ich richtige Angst hatte, diese Zeit mit meinem Mann gemeinsam auszuhalten. Aber dann war es schön, und wir haben noch eine Woche verlängert. Zuerst war es schon ungewohnt, so ohne Kinder – aber dann ging es zunehmend besser.»
«Wir haben es anders gemacht», ergänzt Rosemarie Willems, «wir haben schon sehr früh begonnen, bestimmte Wochenenden allein, ohne die Kinder, zu verbringen. Später, als sie so zwischen zehn und dreizehn waren, sind wir öfter mal eine Woche allein fortgefahren. Und dies regelmäßig. Wir haben diese Zeit genossen. Und die Kinder auch. Sie konnten dann bei den Großeltern ausleben, was sie zu Hause nicht durften, und hinterher haben wir uns alle gefreut auf das Wiedersehen. Wir sind dafür aber auch angefeindet worden: ‹Wie könnt ihr die Kinder allein lassen!› Wenn ein Kind dann mal krank wurde, hieß es: ‹Das kommt davon, weil ihr Rabeneltern seid.› Wir haben uns davon nicht verrückt machen lassen. Heute – die Kinder sind groß – kommen sie hin und wieder mit in den Urlaub, machen sogar Museumsreisen mit, die sie früher grässlich fanden.»
«Das hört sich schön an», klagt Almut Thewes voller Wehmut. «Bei uns geht nichts mehr. Neulich noch waren mein Mann und ich ohne Kinder im Urlaub – aber es endete wie immer: Wir fetzten uns, schrien uns an, ich rannte heulend in den Wald. Unser gemeinsamer Urlaub sieht dann so aus: Jeder geht seiner Wege, wir sehen uns morgens beim Frühstück und dann beim Abendessen. Das nächste Mal fahre ich mit meiner Tochter in die Ferien. Sie macht sich um mich Sorgen, weil ich völlig fertig von den Reisen zurückkomme. Ob mein Mann mitkommt, weiß ich nicht.»
Wenn Eltern in ihrer Rolle erstarren
Heranwachsende haben Schwierigkeiten damit, wenn ihre Eltern in der Erziehung aufgehen. Sie spüren, dass Zuwendung und Liebe nicht bedingungslos, vielmehr mit Verpflichtungen verbunden sind: «Wir haben so viel für dich getan, nun bist du uns zur Dankbarkeit verpflichtet und hast für uns zu sorgen!» Oder: «Wenn es uns schlechtgeht, dann bist du schuld. Du kümmerst dich nicht um uns!»
So werden Heranwachsende ans Haus gefesselt. Eltern machen es ihnen dann unmöglich, eigene Fähigkeiten zu entwickeln. Daraus entstehen Unzufriedenheit, Aggression, Zorn und Wut, die zugleich mit Schuldgefühlen verbunden sind.
Heranwachsende haben Respekt vor Eltern, die für sich sorgen und Verantwortung für sich übernehmen. Doch dies gelingt nicht von heute auf morgen. Das ist ein manchmal mühseliger Entwicklungsprozess, wie die nachstehende Situation zeigt:
Sabine Schröter ist 52. Zwei ihrer heranwachsenden Kinder sind schon ausgezogen, die jüngste Tochter, Yvonne, 21 Jahre alt, lebt noch im Haus. Die Mutter ist mit ihrer Tochter in der Beratung, «weil es ständig Krach gibt. Ich verstehe es nicht. Ich tue alles für Yvonne – aber ich glaube, da bin ich auch nicht uneigennützig.» Sie macht eine kurze Pause: «Ich möchte wohl, dass sie noch länger bleibt. Ich verstehe mich nicht, denn eigentlich habe ich es gut. Ein großes Haus, schöne Reisen,
Weitere Kostenlose Bücher