Pubertät – Loslassen und Haltgeben
lächelt etwas hilflos: «Das Bügelzimmer, die Küche …» Sie schüttelt den Kopf: «Ich habe kein eigenes Zimmer im Haus!» – «Doch», schmunzele ich, «das Zimmer Ihres Sohnes!» Sie reagiert darauf spontan: «Aber das geht doch nicht! Der braucht doch seine gewohnte Umgebung,wenn er kommt!» Wie häufig der Sohn denn komme, will ich wissen. «Na, vielleicht alle acht Wochen!» Sie stutzt: «Und Sie meinen, ich soll das machen?»
Sechs Wochen später ruft sie mich an. Sie habe Toms Zimmer komplett ausgeräumt (er holte die Sachen ab, die er noch brauchte, ein Teil ist zunächst in den Keller gekommen), sie habe neu tapeziert, sich Möbel ausgesucht und an die Tür ein Schild gehängt: «Eintritt nur nach vorherigem Anklopfen!» – «Und wie geht es Ihnen damit?» – «Zuerst war’s ungewohnt, jetzt fühl ich mich wohl!», antwortet sie. Sie habe vor, erklärt sie mir weiter, nun das Zimmer von Tanja als Gästezimmer umzugestalten. Wenn die beiden nun kämen, sind sie «gerngesehene Gäste, sie sind dann meine Gäste, die ich gerne umsorge!».
Ich treffe sie nach einem Jahr wieder: Marie Weber wirkt selbstbewusst, hat eine Umschulung begonnen. «Die Kinder kommen. Sie finden das mit dem Gästezimmer ausgesprochen gut. Zuerst war’s schon eine Umstellung. Aber dann haute es hin. Allerdings hat Tom gemeint, ich könne alles verändern, nur das gemütliche Abendessen müsse bleiben, wenn er da sei. Er würde es auch zubereiten, wenn ich dazu keine Lust hätte. Aber das Abendessen, das müsse bleiben, sonst sei es nicht mehr wie zu Hause.»
Entwicklungen, die Eltern und Kinder in der Pubertät durchlaufen, bringen Krisen mit sich. Sie sind normal und kaum zu vermeiden. Aber Krisen stellen Herausforderungen dar, sie bieten Chancen für veränderte Lebensperspektiven. Wer die Kinder loslässt, hat die Hände frei für neue Aufgaben. Wer dagegen an eingefahrenen Traditionen festhält, klammert sich an die Kinder. Wenn man die Umgestaltung der Beziehung effektvoll inszeniert, stellt sich die Veränderung für alle Beteiligten sinnfälliger dar.
Ich hatte es betont: Nicht nur Frauen erleben körperliche und seelische Veränderungen der Wechseljahre, Ähnliches gilt fürMänner. Nur schlagen sie häufig andere Wege ein, um Kinder nicht gehen zu lassen. Ihr Mann, so erzählt etwa Patricia Meier, Mutter des 1 8-jährigen Thomas, suche seit mehreren Jahren dauernd den Konflikt mit seinem Sohn. «Thomas kann ihm nichts recht machen, obwohl Thomas einen passablen Schulabschluss machte und sich jetzt in der Lehre recht gut bewährt.» Rudolf, ihr Mann, habe sich lange Zeit aus der Erziehung herausgehalten, «das war meine Domäne, aber als Thomas in die Pubertät kam, meinte mein Mann plötzlich, er müsse sich mehr um alles kümmern. Und dann konnte Thomas ihm nichts mehr recht machen. Es gab nur Streit. Das ist bis heute so. Irgendwann hat Thomas dagegengehalten. Fürchterlich. Der Zank hält sie zusammen.» Und seit einiger Zeit, so beobachte sie, provoziere ihr Sohn nun seinen Vater. Sie wisse nicht mehr weiter.
Während – wie im Fall von Yvonne – bei Müttern Selbstaufopferung häufig Mittel zum Zweck ist, ihre heranwachsenden Kinder an sich zu binden, zwingen Väter die Pubertierenden nicht selten in einen nervenaufreibenden Machtkampf. Diese langatmigen Reibereien enden häufig auf beiden Seiten in Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit und ziehen alle Beteiligten in noch stärkere Bindungen. Wenn sich Eltern und Pubertierende nur bekämpfen, dann machen sie sich durch den Konflikt auch voneinander abhängig.
Sich den Entwicklungsaufgaben zu stellen ist eine gemeinsame Aufgabe der Eltern – nicht allein, wie ich es in den Beratungs- und Seminargesprächen allzu oft erlebe, eine Aufgabe der Mütter. Väter grenzen sich häufig aus und versuchen sich in einer Last-Minute-Erziehung, die nicht selten neue Probleme statt Lösungen produziert. Das Beispiel Thomas macht dies deutlich. Je früher Männer in eine Erziehungsbeziehung zu ihren Kindern treten, umso stabiler und tragfähiger stellt sie sich dar. Dann können sich alle Beteiligten etwas zumuten.
DIE HERAUSFORDERUNG DER VÄTER
«Mein Mann», so erzählt mir die Mutter einer Tochter im Grundschulalter, «hält sich völlig aus der Erziehung heraus, weil er der Meinung ist, Väter würden erst später wichtig werden.»
«Das ist typisch», entrüstet sich daraufhin Susanne Müller, Mutter zweier pubertierender Söhne: «Jahrelang hat sich
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