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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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aber so dünnhäutig war ich – glaube ich jedenfalls – nicht.» Schmunzelnd ergänzt eine andere Mutter: «Ich hab gleich zwei davon. Robert ist 15, und Gabi ist 11.   Das ist katastrophal. Rückzug auf der ganzen Linie ist angesagt. Die Zimmer der beiden sehen aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte. Bei Robert stinkt es wie in einer Pumahöhle. Dass dort noch keine Epidemie ausgebrochen ist, wundert mich ehrlich. Die leben nach dem Motto: Die im Dunkeln sieht man nicht!» Nun redet sie sich richtig in Rage. «Aber wehe, man lässt sie links liegen, dann kommen sie aus ihrer Höhle gekrochen, sind muffelig und giften einen an, man würde sich nicht um sie kümmern.»
    So klingen die Klagen, die Kommentare von verwunderten Eltern, deren Kinder gerade in die Pubertät kommen oder mittendrin sind. Für viele Eltern symbolisieren pubertierende Kinder die permanente Krise, von der sie manchmal glauben, dass sie nie ein Ende findet. Zwar hoffen sie, dass dieses Stadium schnell vorübergeht, «damit’s endlich wieder normaler wird», wie eine Mutter von drei pubertierenden Kindern seufzend anführt. «Aber wenn alle voll im Clinch sind, du nicht mehr ein noch aus weißt, die Schwiegereltern über die Jugend von heute lamentieren, dann meinst du, die Pubertät habe nie ein Ende. Das würde jetzt so bis in alle Ewigkeit weitergehen.»
    Ich weiß: Wer mit Heranwachsenden in der Pubertät zu tun hat, bekommt ein ganz eigenes Zeitgefühl, das zwischen Extremen schwankt. Da sitzt man eben noch friedlich mit dem Sohn oder der Tochter zusammen, genießt die Ruhe, die sich Sekunden später als Augenblick vor dem Sturm erweist und sich blitzschnell in ein Gewitter entlädt. Oder diese nervtötend lange Zeit, in der man immer wieder mit dem Heranwachsenden im Streit um dasselbe Thema liegt – Kleidung, Haarschnitt, Hausaufgaben. Man dreht sich wie auf einem Karussell im Kreis und hat schließlich das Gefühl, die Auseinandersetzung ginge nie zu Ende.
    Die Pubertät ist jedoch ein Durchgangsstadium – sie hat einen Anfang und (meistens) ein Ende – für die Heranwachsenden wie für die Eltern. Viele Eltern fürchten sich vor der Pubertät ihrer Kinder, weil sie diese Zeit auf Konflikte reduzieren, mit Krisen gleichsetzen. Pubertät bedeutet aber nicht automatisch eine Krise. Die Pubertät ist vor allem eine Phase des Wandels, der Veränderung und der Entwicklung, aus der sich dann Krisen ergeben können. Diese Krisen sind eine Chance – für die Eltern wie für die Jugendlichen   –, um zwischenmenschliche Beziehungen neu zu bestimmen. (Ver-)Wandlungen, (Ver-)Änderungen und Entwicklungen prägen wie selbstverständlich Pubertätsverläufe. Sie können sich allerdings, typ- und temperamentsbedingt, höchst verschieden darstellen. Während einige Heranwachsende ihre Entwicklung grell, schrill und provokativ inszenieren und durchleben, ziehen sich andere von der Außenwelt zurück, kapseln sich ab, richten sich in den Innenwelten ihrer Phantasien, Träume und ihres Weltschmerzes ein.
    Wenn ich mit Eltern, Großeltern oder pädagogisch Handelnden rede, so bemerke ich: Viele Erwachsene haben nur eine arg begrenzte und enge Vorstellung von dem, was bei Heranwachsenden normal und selbstverständlich ist. Schnell wird vermutet, das Verhalten von Jugendlichen sei entwicklungsgestört, ja pathologisch.Doch so kann man den vielfältigen und komplexen Entwicklungsverläufen nicht gerecht werden.
    Gelassenheit ist notwendiger denn je! Das soll heißen: Ich möchte Eltern die große Variationsbreite von Verhaltensweisen vermitteln, die sich während der Pubertät zeigen können und die vollkommen «normal» sind. Nur wenn Eltern ihre Kinder so annehmen, wie sie sind, nur dann können Eltern den Gedanken loslassen, sie wohnten mit einem Zombie, Chaoten oder Außerirdischen unter einem Dach. Um ihnen dieses Gefühl von Normalität zu geben, erzähle ich eine Geschichte, die angeregt ist von einer Bemerkung der französischen Kinder- und Jugendpsychiaterin Françoise Dolto: «Wenn der Hummer den Panzer wechselt, verliert er zunächst seinen alten Panzer und ist dann so lange, bis ihm ein neuer gewachsen ist, ganz und gar schutzlos. Während dieser Zeit schwebt er in großer Gefahr. So ungefähr geht es Jugendlichen.»
     
    Es ist die Geschichte vom Hummer Rune. Rune lebt in der Tiefe des Ozeans. Das Meer hat einen felsigen Untergrund und viele Höhlen, die zum Verstecken einladen. Rune fühlt sich sicher, denn Hummerkinder, so weiß

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