Pubertät – Loslassen und Haltgeben
auch mein Göttergatte aus der Erziehung ausgeklinkt. Höchstens im Urlaub hat er eine pädagogische Show abgezogen. Und wenn ich Krach mit meinen Jungen hatte, fühlte er sich manchmal gedrängt zu schlichten.» Sie stockt. «Und dann ging’s meistens gegen mich! Nun pubertieren meine Söhne auf höchstem Niveau, und er meint, Versäumtes nachholen zu müssen, und spielt sich als Oberlehrer auf. Wollen Sie das Ergebnis wissen?» Ich nicke. «Er kriegt einen Wutanfall nach dem anderen, weil seine Söhne nicht so wollen, wie er es will. Und wer ist schuld, dass nichts klappt?» Sie gibt sich selbst eine Antwort: «Ich natürlich, weil ich in der Erziehung versagt habe.»
Aus Beobachtungen in Seminaren und Beratungen kann ich als Trend bestätigen, was in den beiden Äußerungen anklingt: Geht es um Erziehungsprobleme im Kleinkindalter, sind Väter in der absoluten Minderheit. Erst wenn das Thema Pubertät ansteht, treten die Männer verstärkt in Seminaren in Erscheinung. Wobei sie nicht selten von ihren Frauen «mitgeschleppt» werden. Entsprechend verunsichert und trotzig reagieren sie dann.
Dabei ist das väterliche Mittun in der Erziehung in allen Entwicklungsstufen eines Kindes von herausragender Bedeutung. Väter müssen ihre Erziehung und Beziehung zum Kind auf das jeweilige Entwicklungsstadium abstimmen. Und was noch wichtiger ist: Die elterlichen Fähigkeiten, in eine Erziehungsbeziehungzum Kind zu treten, müssen erlernt, müssen erworben und ausprobiert werden. Wer sich jahrelang aus der Kindererziehung – aus welchen ernst zu nehmenden oder vorgeschobenen Gründen auch immer – heraushält, dem fehlen später nicht selten Kompetenzen, sich in ein älteres und selbständigeres Kind einzufühlen.
«Sie schreiben», erzählt mir Herbert, Vater der 8-jährigen Maike und der 9-jährigen Daniela, «man muss sich ständig neu auf Kinder einlassen. In jedem Lebensalter braucht das Kind eine veränderte Zuwendung. Das Kind fordert ständig neu heraus. Aber woran erkenne ich, wie sich mein Kind verändert? Ich hab da große Schwierigkeiten.» Andere Väter aus der Gesprächsrunde pflichten ihm bei. Alfred, Vater von drei Mädchen, bringt die Unsicherheiten schließlich auf den Punkt: «Ich will die Kinder nicht mit meinen Negativerfahrungen verunsichern, Dinge sagen, die sie nicht hören wollen. Ich will auch nicht zu autoritär sein. Aber auch nicht zu weich. Also ehrlich, ich schwimme da gewaltig.»
Diese väterlichen Verunsicherungen sind nun freilich kein geschlechtsgebundenes Problem – auch Mütter haben häufig genug Probleme damit, die manchmal rasch wechselnden Entwicklungsstadien des Kindes wahrzunehmen und anzuerkennen. Aber Mütter stehen – da sie sich nach wie vor für Kinder- und Familienerziehung verantwortlich fühlen bzw. gemacht werden – nicht selten in näherem Kontakt zum Kind, beobachten genauer, nehmen auch kleinste Veränderungen wahr und handeln deshalb kompetenter, getragen von einer Portion Sicherheit.
Doch wollen Kinder auch Begleitung und Unterstützung durch ihre Väter, weil das eine notwendige Ergänzung, vielleicht sogar ein Korrektiv zur mütterlichen Erziehung sein kann. Aber sie wünschen sich Väter, die ihre Erziehungsaufgabe nicht als lästiges Muss durchführen, die während der gemeinsamen Zeit ganz bei ihnen sind. Die wachsenden Ansprüche der Kinder fordernheraus. Vor allem dann, wenn mehrere Geschwister in der Familie leben, die ihre unterschiedlichen Wünsche mal lautstark, mal zornig, mal destruktiv zum Ausdruck bringen.
Es ist ein schmaler Grad, auf dem Väter (aber auch Mütter) da wandeln: Zu starkes Engagement stört, weil es, dem Töpfer gleich, zu formend oder zu bevormundend ist, ein zu schwaches Engagement wird schnell als Rückzug gedeutet.
«Mein Vater arbeitet sehr viel. Deshalb ist er wenig zu Hause. Er kann sich nicht so viel um mich kümmern», erzählt die zwölfjährige Kathrin. «Trotzdem merke ich, dass er sich für mich interessiert. Natürlich interessiert sich meine Mutter auch für mich, aber irgendwie anders.»
«Meine Mutter arbeitet. Mein Vater arbeitet. Sie haben nicht so viel Zeit für mich», berichtet Sven, 13 Jahre alt. «Aber ich fühl mich nicht verlassen oder alleingelassen oder so. Meine Mutter ist in unserer Familie mehr für das Gefühl zuständig. Sie ist irgendwie wärmer. Mein Vater ist so ein bisschen wie mein Freund. Er fällt nicht immer gleich in Ohnmacht, wenn mal wieder was Gefährliches lief.»
«Also,
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