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Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht

Titel: Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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beachten. Es sind manchmal eher so kleine Sachen, manchmal auch große. Wenn man will, kann man das eigentlich schon beachten.
    TOCHTER DER MUTTER (16): Ich wollte auch sagen, dass die Gemeinschaft nicht so gut funktioniert. Wir (die Jugendlichen) ziehen uns alle, wenn wir nach Hause kommen, in unsere Zimmer zurück. Kommen dann entweder zum Essen runter oder zum Kochen helfen, und sonst sind wir eigentlich nie da, außer wenn wir uns was zu essen holen. Und das finde ich halt ein bisschen schade. Obwohl ich mich mittlerweile dran gewöhnt habe. Dann sind da diese vielen Regeln: Es sind zwar nicht so viele, aber viele, wo ich einfach denke, dass es funktionieren sollte und man dafür keine Regeln braucht.

    JUUL: Ok. (Zu den Eltern) Was hört ihr beide, wenn ihr das hört? Was ist die Botschaft?
    VATER: Also die Botschaft, die ich da höre, ist die, dass es der Regeln eigentlich nicht bedarf. Dass selbstständig sein, selbstständig handeln, selbstständig agieren durchaus auch erwünscht ist. Wenn ich mir das so anhöre, dass es viele Regeln gibt, die es gar nicht braucht, dann frage ich mich, warum es die dann eigentlich gibt. Von unserer Seite braucht es sie ja schon, zum Teil zumindest. Es trifft ja immer vier (die vier Kinder) . Der eine umgeht die eine Regel, der nächste umgeht die andere Regel - oder sagen wir mal den Wunsch, den die Gemeinschaft hat: wie man sich in der Gemeinschaft verhält, also Schuhe ausziehen oder Zusammenräumen, egal was.
    JUUL: Jetzt bist du wieder am Argumentieren. Ich möchte gerne wissen: Wenn du den Kindern zuhörst, was hörst du dann? Welchen Eindruck gibt es dir, was die vier sagen?
    VATER: Dass die Regeln unerwünscht und unnötig sind.
    JUUL (ZUR MUTTER): Ok, und du?
    MUTTER: Also ich höre, dass doch ein Wunsch nach Gemeinschaft besteht. Bei meiner großen Tochter, die wird jetzt 20, ist es schwierig für uns, alle gleich zu behandeln, was die Regeln betrifft. Ich höre, Regeln braucht man eigentlich nicht, und es sind nicht so viele Regeln und eigentlich könnte man sie einhalten.
    JUUL: Und was denkst du darüber?
    MUTTER: Ich denke, ich möchte diese Regeln auch nicht. Ich möchte, dass das mit Absprache einfach funktioniert. Dass man zu dem einen Ja sagen kann und zu dem andere Nein sagen kann. Aber nächstes Mal geht doch wieder ein Ja. Dass es nicht so strikt ist, dass die Regeln eingehalten werden müssen, »Punkt basta«. Sondern dass man das miteinander löst.
    JUUL: Ok. Ich höre etwas anderes. Ich höre, dass diese Gemeinschaft, über die wir reden, einfach nicht existiert. Es gibt keine
Gemeinschaft, und das heißt, es gibt sozusagen keinen Tisch, wo man alles hinstellen und sagen kann: »Das ist mein Beitrag.« Und das ist häufig der Fall. Meine erste Erfahrung als Familientherapeut, das ist 30 bis 35 Jahre her, war oft, dass Eltern mit jugendlichen Kindern gesagt haben: Unsere Kinder gehen mit unserem Familienhaus wie mit einem Hotel um. Und sehr häufig war es der Fall, dass dieses Elternhaus auch nicht viel mehr als ein Hotel anbietet. Das bedeutet nicht unbedingt, dass das notwendigerweise wenig ist. Das kann ja ganz, ganz viel Service beispielsweise sein oder Dienstleistung verschiedener Art. (Lachen)
    Wenn wir ein Bild verwenden, ist es also so: Wir wollen gerne zusammen essen, das ist unsere Erwartung. Aber niemand kauft ein und niemand kocht. Es fehlt also die Gemeinschaft. Und ich denke, es ist sehr, sehr wichtig, dass ihr alle sechs euch trefft, für eine dreiviertel Stunde, eine Stunde (und ich glaube, es muss mehrmals sein), und darüber redet, dass es hier eine Gemeinschaft gibt. Es geht dabei weniger um die Zeit, aber meiner Meinung nach ist es wichtig, dass alle Mitglieder sagen: »Ja, ich möchte gerne hier mit euch wohnen, ich möchte gerne eine Gemeinschaft aufbauen, und ich möchte gerne dazu beitragen, welche Kultur im Elternhaus vorherrscht.« Dabei verstehe ich das nicht als einen demokratischen Prozess. Es geht also nicht darum, dass alle alles mitbestimmen sollten. Aber es ist sehr wichtig, dass die beiden Erwachsenen hören, was die Kinder wollen und was nicht. Wenn wir bei euch im Moment sozusagen Temperatur messen, wenn wir fragen: »Wie geht’s uns eigentlich«?, dann finden es alle, wie ich das höre, ein bisschen kalt. Es könnte wärmer sein. Aber das kostet Arbeit. Denn in einer Kernfamilie gibt es ja immer in irgendeiner Form Liebe. Das ist hier jedoch nicht unbedingt der Fall. Liebe existiert zwischen euch beiden Erwachsenen,

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