Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht

Titel: Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
Vom Netzwerk:
ohne dieses ewige »Mütter haben keine Grenzen, Mütter haben keine Bedürfnisse, Mütter müssen immer nett sein« usw. Das ist ein Gefängnis. Das heißt, du (die Mutter) musst klar sein und verantwortlich. Wenn du also deine Grenze anzeigst: »Das will ich nicht«, dann darfst du das auch nicht machen. Das ist wichtig, denn es geht nicht darum, dass die Kinder schlau sind und denken: »Die redet nur, das geht vorbei und morgen gibt es wieder was zu essen«, so denken die Kinder eigentlich nicht. Aber es wird möglich, dass sie Folgendes denken: »Man muss dich nicht notwendigerweise ernst nehmen.« Und dass sie das tun, dafür musst du sorgen.
    Es ist viel einfacher für Kinder und für Erwachsene, einen anderen Mensch ernst zu nehmen als eine Regel. Regeln funktionieren oft nicht. Es ist ok mit einer Handvoll Regeln, darüber können wir reden. Aber ich möchte nicht, dass ich etwas deshalb tue, weil es eine Regel ist. Ich möchte gerne etwas tun (oder nicht tun), weil ich dich als Mensch ernst nehme, und ich habe einen gewissen Respekt vor deinen Grenzen, Wertvorstellungen und Bedürfnissen usw. Ich glaube, das wünschen wir uns alle von einer Gemeinschaft. Und wenn das nicht funktioniert, dann stellen wir Regeln auf.
    Ich glaube, die beiden Erwachsenen hier müssen anfangen: Ihr müsst euch alle treffen und ganz ernsthaft darüber reden: »Was will ich, was für eine Gemeinschaft möchte ich gerne, damit es gut für mich ist.« Und da ist es erlaubt, egoistisch zu sein. Denn wenn wir wissen, was gut für dich ist, für mich usw., dann wissen wir, was für eine Gemeinschaft wir brauchen. Vorher wissen wir das nicht. Also könntest du zum Beispiel sagen (zum
Sohn der Mutter) : »Ich will eigentlich nur mit meinem Computer arbeiten und Ruhe haben«, d.h. für mich ist die Erziehung vorbei. Und so kann man sich Verschiedenes vorstellen. Ihr beide (zu den Erwachsenen) seid offensichtlich ganz verschieden, und daher ist auch wichtig, dass es besonders für die beiden Erwachsenen Platz und Möglichkeiten gibt, das zu haben, was ihr gerne möchtet.
    Damit würde ich anfangen. Dann kommt die individuelle Arbeit. (Zur Mutter) »Es geht einfach nicht mehr« (das ist nicht meine Meinung, das hast du mir gesagt), »es geht nicht mehr mit diesem Rollenspiel: Ich bin Hoteldirektorin, ich bin Köchin, Putzfrau, Rezeptionistin usw., und das will ich nicht mehr.« Und ich will dir mal Folgendes sagen (ich sage das sehr oft hier in Deutschland), du musst auch damit aufhören, immer »möchte« zu sagen. Das funktioniert nicht innerhalb der Familie, es funktioniert nur beim Bäcker oder so. »Ich will«, heißt es.
    MUTTER: Ok, neue Vokabel. (lacht)
    JUUL: Wir sagen es, um höflich zu sein, um einen guten Ton zu haben usw., und es funktioniert teilweise, aber meistens funktioniert es nicht. Sollte es wirklich notwendig sein, »will« zu sagen? Ja, es ist notwendig. Parallel dazu musst du für dich verantwortlich sein und nicht sagen: »Ich bin so und so und für mich ist das unangenehm, deswegen müsst ihr alle so und so sein.« Das würde ja bedeuten, alle müssen die Mutter/Stiefmutter retten. Das machen die nicht, nein. - Nein, du musst dich selber retten, mit Hilfe, hoffe ich. (Mutter blickt zum Partner und lacht) Denn sonst werden alle Opfer, genau wie du. Das war ein kleiner Vortrag über Verantwortung. Macht das Sinn für dich?
    MUTTER: Ja, es macht Sinn. Wir haben schon immer wieder auch runden Tisch gemacht. Ich frage mich jetzt, wie oft muss das sein, wie eine Art Ritual oder immer nur nach Bedürfnis?
    JUUL: Ich glaube, es lohnt sich im nächsten Jahr oder in den nächsten anderthalb Jahren einmal pro Monat. Und man muss
was merken, weil es auch anstrengend ist, es keine Demokratie ist. Es geht darum, miteinander bekannt zu werden und zu sagen: Ok. Was denkt ihr darüber im Moment, was denkst du und du und du? Und wie zufrieden sind wir? Und dann arbeiten wir dran. Dabei ist es wichtig, dass man das nicht wie in der Schule macht, d.h. kein Schuldirektor sitzt am Tischende und sagt: »Aha, jetzt ist es so, so, so,... und bis zum nächsten Mal verbessern wir das und das und das.« So nicht!
    Diese Gemeinschaft ist da, weil ihr beiden Erwachsenen euch verliebt habt. Wenn jeder davon spricht, was er braucht, macht es einen Eindruck auf alle, und dann verarbeiten alle diesen Eindruck über die nächsten Wochen, und dann sieht die Welt das nächste Mal anders aus. (Jesper Juul spricht von den monatlichen Gesprächsrunden)

Weitere Kostenlose Bücher