Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
Ihnen kooperiert hat. Sie wird den nächsten zehn Jahren nicht unvorbereitet begegnen.
Jugendliche haben keinen ausgeprägten Bedarf an der aktiven Unterstützung ihrer Eltern, wenn ihr Leben sich harmonisch und einigermaßen in Übereinstimmung mit den Forderungen und Erwartungen ihrer Umwelt entwickelt. Doch benötigen sie die volle Unterstützung ihrer Eltern, wenn ihr Leben kompliziert und chaotisch wird und sie um jeden Millimeter ihrer neuen Identität kämpfen müssen.
Als erfahrene Erwachsene wissen wir allzu gut, dass es zwei Sorten von Freunden gibt: diejenigen, die uns den Rücken zukehren, wenn wir krank werden, uns scheiden lassen oder den Job verlieren, und diejenigen, die uns jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Ich hoffe, Sie können sich selbst dazu bringen, Ihrer Tochter solche Freunde zu sein.
DREI
Dialoge der Veränderung
Zehn Familien arbeiten mit Jesper Juul
I m Frühjahr 2009 fand in München ein zweitägiges familylab-Seminar mit dem Titel »Pubertät ist eine Tatsache, keine Krankheit« statt. Zehn Familien sprachen während dieser intensiven drei Tage sehr offen über ihre Situation und waren bereit, sich dabei filmen zu lassen. Es waren Mütter, Väter und Jugendliche zwischen zwölf und 20, die nach neuen Wegen des Miteinanders suchen. Die Familien, die in diesem Buch zitiert werden, wünschen sich eine Gemeinschaft, die ihr Bedürfnis nach Verbundenheit, nach Zugehörigkeit und Geborgenheit erfüllt und ebenso ihr Bedürfnis nach Wachstum, Autonomie, Freiheit und Entfaltung. Sie wollen in Beziehung miteinander sein, aber nicht ihre eigene Integrität zugunsten der anderen Familienmitglieder opfern. Das gilt für die Jugendlichen gegenüber den Eltern wie auch umgekehrt.
Die Dialoge, die Sie auf den nächsten Seiten lesen, folgen weitestgehend den Originalmitschnitten, die während des Seminars aufgenommen wurden. Um die Privatsphäre der Beteiligten zu schützen, wurden die Namen entfernt. Ansonsten wurden lediglich zur besseren Lesbarkeit wenige und sehr behutsame Veränderungen vorgenommen. Hier geht es um echte Familien mit ihren tatsächlichen Problemen. Die Authentizität der sich mal langsamer, mal schneller entwickelnden Gespräche und der sich dabei entfaltende Prozess bieten Chancen für die eigene Reflexion und Lernerfahrung. Welche Art von Fragen, welche Art von Sprache wirkt wie? Welche Haltung ermöglicht ein gleichwürdiges Gespräch?
Die Familien wurden vier Wochen nach dem Seminar noch einmal kontaktiert und um eine Rückmeldung gebeten, die in den meisten Fällen auch erfolgte und die sich den einzelnen Gesprächen anschließt.
FAMILIE 1
Patchworkfamilie, Verantwortlichkeit und Regeln
DABEI SIND: MUTTER, DER SOHN (15) UND DIE BEIDEN TÖCHTER (16, 19) DER MUTTER, DER VATER SOWIE DER SOHN (13) DES VATERS
JESPER JUUL: Ich möchte gerne, dass einer der beiden Eltern anfängt und sagt, was das Thema ist.
VATER: Das Problem in unserer Familie sind diese Nichtzuständigkeiten bei uns zu Hause. Jeder hat Bedürfnisse, jeder hat Wünsche, jeder hat sonstige Belange, die ihn betreffen, aber das Gesamte bleibt immer so ein bisschen außen vor, das ist so zweitrangig, drittrangig oder vielleicht auch völlig unwichtig. Wie vermittelt man, dass das, was die komplette Gemeinschaft - das Zusammenleben insgesamt - betrifft, dass das genauso wichtig ist, wie die eigenen Bedürfnisse?
JUUL (ZUR MUTTER): Kannst du ein bisschen was dazu sagen?
MUTTER: Wir leben jetzt als Patchworkfamilie zusammen. Was mir auffällt, ist, dass meine Kinder früher sehr verantwortlich im Miteinander waren, in der Mithilfe oder wenn wir gemeinsame Mahlzeiten vorbereitet haben. Jeder hat auch Seins dazu getan, freiwillig. Und jetzt ist es so, wenn wir zusammen essen wollen, dann möchten sie sich gerne wie im Hotel an den Tisch setzen und gar nichts machen. Nach dem Motto: »Das ist doch nicht mein Bereich, dafür bist du zuständig.« Ich krieg zurückgemeldet: »Du bist doch Mama und du musst das machen« und da fängt schon unser Konflikt an. Ich bin Mama, aber ich bin nicht das Dienstmädchen für alle, und da ist mein Konflikt,
dass ich das nicht so möchte. Ich möchte nicht bedienen, sondern ich möchte, dass sie auch verantwortlich für ihr Handeln sind und einzelne Dinge auch freiwillig tun. Das tun sie aber nicht.
JUUL: Wie lange lebt ihr alle sechs schon zusammen?
MUTTER: Wir leben jetzt seit zwei Jahren zusammen. Ich finde, das sind tolle Kinder, jedes Kind kann für sich
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