Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
ist etwas ganz Zentrales, das hat etwas mit Kommunikation zu tun, das ist auch das Thema, das ich eingangs gemeint habe. Man stellt eine Frage: »Wie läuft es da oder da?«, und dann kommt eine Antwort, die väterliche oder elterliche Antwort, die oft in einem Rat besteht: »Hättest du nicht, könntest du nicht«, und dann gehen oft die Klappen zu. Dann merkt man, man kommt nicht an, aber man kommt auch nicht aus seiner Haut heraus, helfen, unterstützen zu wollen. Und dann fangen ganz unterschiedliche Kommunikationsebenen an, weil man aneinander vorbeiredet und nicht mehr über die Sache. Das Rollenspiel mit den Dialogen, die jeder auswendig kennt, weil man alle Rollen schon hundertmal durchgemacht hat, das geht allen auf die Nerven. Das ist nur wahnsinnig schwer, da rauszukommen aus der Rolle.
JUUL: So schwer ist es dann doch nicht. Man kann ja den Mund halten.
VATER: Das ist ja das Schwierige.
JUUL: Oder man kann die Wahrheit sagen.
VATER: Das mache ich ja dauernd.
JUUL: Seine persönliche Wahrheit. Man kann sagen: »Vor zehn Minuten habe ich mir versprochen, nicht Vater zu spielen, aber jetzt bin ich wieder dabei.« Und es dann versuchen. Man muss nicht perfekt sein als Eltern, man muss nur in irgendeiner Art und Weise Vorbild sein und sagen: Änderung ist möglich, auch für alte Leute.
MUTTER: Das sage ich schon immer.
JUUL: Aus dieser Rolle zu treten ist schwierig. Ich weiß das, aber man kann viel Hilfe bekommen. Wenn man bei den Kindern an die Tür klopft und sagt: »Ich habe etwas, worüber ich mit dir reden möchte. Ist das jetzt möglich, hast du Zeit, willst du das hören?« Und dann können die Kinder wählen, und dann lernt man ja aus seinen Erfahrungen: Was kommt an, was macht guten Kontakt, was macht keinen und was macht Krach.
Irgendwie haben wir die Idee - nicht nur mit unseren Kindern, auch mit unserem Partner -, da tun wir so, als ob wir automatisch ein Saisonticket bekommen haben, und meinen, wir können immer stören, wir können immer etwas sagen, immer etwas anbieten. Und das geht allen auf die Nerven. Das geht nicht. Ich habe einmal mit einer amerikanischen Familie gearbeitet, und der Mann wusste nicht, wie er sich ausdrücken soll. Am Ende war er so verzweifelt, dass er zu seiner Frau gesagt hat: »Please treat me as a stranger. Behandle mich genauso gut wie einen Fremden. Nicht immer meine Grenzen überschreiten, ich will das nicht.« Die Tragödie ist ja, dass die meisten Eltern viel Wertvolles anzubieten haben. Aber wenn es durch dieses Rollenspiel geht, dann ist alles verloren. Man fühlt sich als Eltern nicht wertvoll, ist aber auch nicht wertvoll, und als Kind fühlt man sich auch irgendwie falsch oder alleine. Es geht um dieses grundsätzliche Bedürfnis in uns allen, das geht von sechs Monate alten Kindern bis zu Eltern und Großeltern. Unser Grundbedürfnis ist, uns als wertvoll für jemanden zu erleben, und das ist immer aktuell und akut mit Kindern. Wir wollen gerne für die Kinder wertvoll sein, ihnen alles Mögliche beibringen, und wenn das nicht gelingt, dann fangen die kleinen oder großen Aggressionen an, dann sind wir frustriert. Dann kommt dieser Ton, wo man sich immer so ein bisschen streitet, aber mehr oder weniger zivilisiert. Wenn wir dieses Erlebnis - wertvoll zu sein - ganz oder teilweise nicht mehr haben, dann entstehen Aggressionen oder Depressionen. Das hört man ganz
deutlich. Das Schwierige für Erwachsene ist: Wenn wir es so erleben, dass wir nicht so wertvoll sind, wie wir es sein möchten, dann ist es auch immer wahr. Dann sind wir wirklich nicht so wertvoll, wie wir gerne sein möchten. Und das ist natürlich nicht so angenehm, und wenn das passiert, dann brauchen wir Hilfe. Zu 99 Prozent der Zeit können wir diese Hilfe von unseren Kindern kriegen. Man muss nur fragen und sagen: »Hör mal, ich versuche das und dieses und jenes, und es gelingt mir nicht. Sag mal, was mache ich falsch?« Mit ein bisschen Geduld kriegt man die Antwort und dann kann man daraus lernen.
Was ist so schwierig an dieser Veränderung? Es ist schon schwierig. Es geht eigentlich ums Leben für uns Eltern. Die Jungen haben ja Zeit genug, und die können alles Mögliche machen, aber für uns ist es die letzte Möglichkeit. Und deswegen sind wir ja auch so - ich wollte eigentlich dumm sagen, aber trotzig sind wir. Wenn wir so etwas in unserem Beruf machen würden, hätten wir keinen Job mehr. Also sagen wir mal, ich arbeite in einer Werbeagentur und mache Anzeigen,
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