Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
gelingt nicht. Es ist für mein Lernen wichtig, dieses Feedback zu kriegen. - Ich möchte gerne eine wichtige Frage stellen oder dass ihr beide euch eine wichtige Frage stellt, und die lautet: »Warum mache ich das eigentlich? Ich mache mir
Sorgen, es liegt mir am Herzen, aber warum sage ich in diesem Moment, was ich sage? Warum ist es für mich so schwierig, das, was ich in der Theorie weiß, in die Praxis umzusetzen? Geht es darum, dass ich meinem Kind helfen will, oder will ich mein Selbstbild verbessern? Ich will als Mutter und als Vater ein gutes Gewissen haben. Ich mache es eigentlich für mich und nicht für meine Kinder.«
VATER: Ich denke, man macht es in erster Linie für die Kinder. Dass man sich besser fühlt, wenn es gelungen ist, die Kinder gut zu unterstützen, den Kindern zu helfen, weil es dann besser ist.
JUUL: Wir reden ja nicht darüber, wenn es gelungen ist. Wir reden darüber, wenn es nicht gelingt. Wir bekommen unsere Kinder für uns selbst, weil wir glauben, es wird unser Leben bereichern. Und meiner Erfahrung nach ist es für Eltern immer so eine schwierige Balance: Was mache ich für mein Kind, weil es notwendig, relevant, erwünscht ist, und was mache ich für mein Image? Das ist immer schwierig, und hier glaube ich, dass sich alle in eurer Familie einig sind, vor allem die beiden Jugendlichen, und sagen: »Eure Versuche, mir zu helfen, mich zu unterstützen, mich zur Weisheit zu bringen usw., sind für mich unangenehm.«
VATER: Ist das so?
TOCHTER: Ja, meistens schon.
VATER: Also die Versuche, euch zu helfen, euch zu motivieren, euch zu unterstützen, empfindest du als unangenehm?
TOCHTER: Ja, nee, zwischendurch schon, wenn es zu viel wird, dann schon, und wenn man euch das sagt, dann bringt das eigentlich nicht viel.
JUUL: Eines kann man jeden Tag in meinem Beruf lernen: Die Kinder sind ihren Eltern gegenüber immer sehr freundlich und in diesem Fall sehr nuanciert und ein bisschen diplomatisch. (Lachen) So ist es für alle Eltern. Man kann nach Feedback fragen,
und wenn man Glück hat, kriegt man 20 Prozent. Ich habe einen Sohn, 36 Jahre alt, und wenn ich ihn frage: »Wie erlebst du mich als Vater?«, dann bekomme ich eine diplomatische Antwort. Wenn ich zu meinem Sohn komme und frage: »Was sind bei mir die drei schlimmsten Sachen?«, dann bekomme ich, mit ein bisschen Glück, vielleicht zwei Antworten, und dann muss er etwas Positives sagen, um mich zu schützen. Das muss man wissen. Übersetzt bedeutet das: »Ja, meistens ist es mir unangenehm.« Das ist ein Unterschied zwischen Eltern und Kindern, wenn es zu diesen rituellen Gespräche kommt: Kinder nehmen immer die Intention der Eltern wahr. Die Eltern nehmen oft die Intention der Kinder nicht wahr oder stellen sie negativ dar: »Ich muss dich motivieren, weil du sonst überhaupt nicht in die Schule gehen würdest.« Das ist etwas Unangenehmes, weil meine Eltern überhaupt nicht wissen, wie es in der Schule für mich ist, was meine tägliche Wirklichkeit ist. Für meine Eltern ist es wichtig, dass ich es gut mache, gute Noten usw. Dann versuchen Kinder zu kooperieren. Also sitzen sie noch am Tisch, das möchte ich sagen. Als Eltern muss man untersuchen, was hilfreich ist: »Ich bin dein Vater, ich stehe zur Verfügung, ich möchte dir gerne helfen, was kann ich machen?« Das ist eine wichtige Frage, und wie die Hilfe aussehen soll, das können wir als Eltern nicht selber entscheiden. Genau wie bei meiner Mutter: Sie ist jetzt sehr alt, und es ist die Frage, wie lange sie noch alleine leben kann. Ich muss meine Mutter fragen: »Wie kann ich dir helfen?« Und wie meine Mutter so ist, fällt ihr dann ein, wie ich es nicht machen soll, und dann, mit ein bisschen Geduld, kommt auch, was ich machen kann. Das ist oft etwas ganz anderes, als das, was ich gedacht hätte. Ich habe gedacht, ich wüsste, was sie braucht, und meiner Frau gesagt: »Meine Mutter braucht das und das und das.« Wenn ich mich so verhalte, dann kommen wir genau in dasselbe Dilemma wie bei euch. Es gibt guten Willen, es gibt Energie von meiner Seite, aber es geht verloren, denn ich
habe sie nicht gefragt: »Was ist für dich wichtig? Wie kann ich es machen?«
Das war eine lange Antwort auf deine Frage von vorher: »Ich weiß es theoretisch, wie geht’s praktisch?« Praktisch denke ich, ist es gut, wenn ihr dieses Rollenspiel aufhört, denn wenn Eltern Eltern spielen, dann spielen die Kinder Kinder. Und dieses Spielen ist unerträglich.
VATER: Das Rollenspiel
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