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Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht

Titel: Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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weggezogen ist zur Ausbildung usw., und ich habe wirklich gemerkt, jetzt habe ich 85 Prozent meines Bewusstseins wieder zur Verfügung. Ich habe das vorher nicht wahrgenommen, ich war immer Vater, das war ein schönes Erlebnis. Aber es gab auch diesen Moment: »Mein Gott, was mache ich jetzt mit meinem Leben, meiner Identität, was machen wir jetzt miteinander?«
Wenn Eltern in diesem Konflikt, in diesem Dilemma sind, sagen die Jugendlichen überall in Europa dasselbe: »Get alive! Sei nicht nur Vater und Mutter. Ich brauch’ dich auch, aber wie gesagt in einer anderen Form.« (Zum Vater) Wie sieht es für dich aus, ist das möglich?
    VATER: Das ist exakt der Punkt, dieses Rollenspiel, in das man reinkommt. Die Frage ist nur: Eine Rolle ist über viele Jahre erlernt, man muss erst mal umlernen. Man muss dann in der konkreten Situation, wenn man zusammen am Tisch sitzt usw., sich ändern. Das dauert vermutlich eine Weile, von dieser Rolle runterzukommen.
    JUUL: Wie lange brauchst du dazu, was glaubst du?
    VATER: Kein Ahnung, muss man ausprobieren. Es wird sicher eine Weile dauern. Bewusst ist es mir, denn mir geht dieses Rollenspiel tierisch auf die Nerven. Ich schau an mir runter, ich sage Dinge, wo ich denke: Um Gottes Willen! Ich sage Dinge, die ich von meinem Vater gehört habe und mir geschworen habe, das werde ich nie zu meinen Kindern sagen, und dann schaue ich an mir runter und höre, dass ich genau dasselbe gesagt habe. Wenn du in dieser Rolle als Vater, wie du es gerade beschrieben hast, über eineinhalb Jahrzehnte drin bist, wo man diese Rolle einübt und aufbaut, da ist dann der Punkt erreicht, wo man nicht nur seinen Kindern gegenüber eine andere Rolle lernen muss, sondern wo man loslassen muss, was nicht leicht fällt.
    JUUL: Man kann diesen Lernprozess sehr beschleunigen, aber dann muss man jeden Tag die Wahrheit sagen, und das ist nicht einfach. Das heißt, man setzt sich an den Tisch und man will nicht so reden, macht es trotzdem, und dann guckt man den Kindern in die Augen und sagt: »Entschuldigung, jetzt habe ich es wieder gemacht, jetzt schweige ich«, und das hilft. Jetzt ist euer Sohn leider nicht hier, aber er kann es ja nachher auf DVD anschauen. Es hilft, seinen Kindern zu sagen: »Ich habe meine
Meinung, ich hab eine Idee, ich hab einen Vorschlag, ich hab was überlegt. Willst du es hören?«, und wenn die Kinder Ja sagen und plötzlich nicht mehr zuhören, dann fragen: »Was habe ich jetzt falsch gemacht? Ich weiß, dass das, was ich zu sagen habe, inhaltlich von höchster Qualität ist, aber in meiner Vermittlung geht irgendwas schief.« Das bedeutet, man kann seinen Kindern nicht notwendigerweise das geben, was im Moment aktuell ist, aber viel wichtiger ist das Vorbild als Eltern. Man kann als Eltern auch in den nächsten Jahren seinen Kindern viel Wertvolles beibringen, aber mehr als Beispiel statt als Lehrer.
    Es tut mir immer leid in Deutschland mit diesem Schulthema, denn irgendwie sind viele Schulen so unmöglich, die Beziehung zwischen Schülern und Lehrern so unmöglich, so vitaminarm. Die Schulen klagen darüber, dass zwei bis drei Prozent der Kinder nicht kommen oder nicht jeden Tag kommen. Und ich glaube, wir sollten als Eltern jeden Samstag feiern, dass 97 Prozent kommen! Die Kinder brauchen eine Unterstützung, die sie motiviert. Damit meine ich, sie sind 13 Jahre alt und intelligent, sie wissen, warum Schule wichtig ist, warum Bildung wichtig ist. »Die Eltern, die Schule, die Gesellschaft, alle sagen das, und wenn ich das nicht schaffe oder nur schlecht schaffe oder wenn ich überhaupt keine Lust dazu habe, dann stehe ich plötzlich ›Ich gegen den Rest der Welt‹.« Dann braucht man seine Familie.

RÜCKMELDUNG DER BETEILIGTEN FAMILIE NACH VIER WOCHEN
    MUTTER: Dieses Wochenende hat unser Familienleben schon nachhaltig geprägt, obwohl unser Sohn kaum anwesend war (er hat sich alles haarklein erzählen lassen!). Mir ist durch die Gespräche bewusst geworden, dass ich immer noch viel zu wenig
Verantwortung abgeben kann und zu viel Einfluss nehmen möchte. Der Alltag ist tatsächlich harmonischer geworden, vor allem meinem Sohn bekommt meine Zurückhaltung augenscheinlich gut. Er ist ein bisschen gewachsen in den Wochen nach dem Seminar. Und ich habe mehr Zeit für mich gewonnen... Wir sind sehr froh, dabei gewesen zu sein, und danken Ihnen und allen Helfern für dieses Wochenende. Und natürlich dem wunderbaren Jesper Juul!

FAMILIE 9
    Schule und Eigenverantwortung

DABEI

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