Puck
er stand wankend, die Beine weit gespreizt, den triefenden Kopf, aus dem noch immer kleine Wasserbäche rieselten, tief gesenkt. Die verzerrten Lefzen waren blutleer, weiß, zwischen den Zähnen Schaum. Aber er stand. Vorsichtig trugen wir ihn ins Boot und dann ruderte ich mit raschen Schlägen ins Hotel zurück. Unterwegs schrie er vor Schmerz und übergab sich. Bei jedem Atemzug pfiff und röchelte die wassergefüllte Lunge. Am Ufer lief alles zusammen, und ein langer Zug geleitete ihn, den Liebling aller, bis ins Zimmer. Er wurde warm verpackt, auf die Couch gelegt. Bis zum Abend lag er in halber Bewußtlosigkeit, dann erhob er sich taumelnd und leckte uns zum erstenmal wieder die Hände.
Zwei Tage lang schlich er nur umher. Auf der Terrasse, die etwa drei Meter über dem See lag, unterhielt ich mich mit dem Hoteldirektor, der selbst ein großer Hundefreund war. »Seien Sie froh, daß es so gekommen ist«, sagte er, »er war zu wagemutig, der Kleine! Von jetzt an wird er das Wasser meiden, aber das darf Sie nicht stören.«
In diesem Augenblick trabte Puck aus dem Haus. Ein kleiner Junge warf ihm von der Plattform aus einen Stock ins Wasser — und wie ein Pfeil schoß der Hund hinterher, landete aufklatschend im See. Er verschwand in der grünen Flut, tauchte aber wieder auf und brachte das Holz ans Ufer, warf es dem Direktor vor die Füße.
»Na — so was habe ich wirklich noch nicht erlebt!« sagte der und warf ihm den Stock landeinwärts.
Nach dem Wasser waren die Wälder Pucks ganze Wonne. Noch nie hatte er so etwas gesehen, noch nie konnten seine schmalen, weißen Füße unter dem Dom der Tannen und Buchen, windgeschüttelter alter Eichen über Moos und Gebüsch fliegen, noch nie konnte er in den aufregenden Geheimnissen einer großen Tannenschonung herumstöbern, wo es Ameisenhaufen gab, Karnickelbauten, Hasen- und Rehspuren. Mittendrin gestürzte, uralte Baumriesen, deren Leiber von Käfern wimmelten, auf deren abgeblätterter Rinde die großen bunten Schmetterlinge wippten, in deren Stumpf wie ein Bild aus Stein die goldäugige Eule hockte.
Wir machten einen Spaziergang mit dem Ehepaar Kreiler, das wir im Hotel kennengelernt hatten und das einen kleinen Scotchterrier, >Mister Black<, besaß. Die beiden hatten sich zunächst miteinander ausgesprochen, wobei Mr. Blacks linkes Ohr gelocht wurde und Puck auf nur drei Beinen, die linke Pfote hochgehoben, den Kampfplatz verlassen mußte. Nun duldeten sie sich. Puck, ganz auf den Menschen eingestellt, wollte auch im Wald dauernd mit uns spielen. Von überallher schleppte er Zweige an, dicke, seltsam verkrümmte Wurzelknollen. Unentwegt mußte irgend etwas ‘geworfen werden, damit er danach jagen konnte. Halbe Bäume schleppte er im Schweiße seines Angesichtes hinter uns her, brachte sie in unsere Fußnähe, stellte sich darauf und riß mit zerstörerischer Wut alle Seitenzweige ab, bis nur der Mittelzweig übrigblieb. Er verstand es, diesen Stamm genau im Schwerpunkt zu packen und dann im gestreckten Galopp von rückwärts an uns heranrasend die Strümpfe der Damen zu zerreißen oder von fern anstürmend und wild den Kopf mit dem Ast schüttelnd beide Geschlechter gleicherweise vor die Schienbeine zu hauen. Einmal, auf einer sonnendurchglühten Schonung, warf ihm Frauchen einen Ast. Im Dahinstürmen stolperte er über etwas, das ihm im Wege lag und aussah wie ein großer grauer Stein. Er überkugelte sich zweimal und raste weiter, der >graue Steine aber richtete sich auf, reckte zwei große Löffelohren auf und sauste im Zickzack nach der anderen Richtung auf und davon.
Unter Mr. Blacks Anleitung entwickelte Puck auch eine geradezu fanatische Liebe für alle Arten von Höhlen, ganz gleich, ob sie von Karnickel, Fuchs oder Dachs bewohnt waren. Ungeachtet aller Domen brach er durch das dichteste Brombeergerank, fing an, die Erde wegzuschaufeln, und war denn auch bald unter dem Erdboden verschwunden. Er hörte auf keinen Ruf mehr und gab auch selbst keinen Laut. Halbe und ganze Stunden lang verschwand er auf diese Weise. Einmal hörten wir ihn von ganz fern bellen, dumpf und leise.
»Nun hör mal, wie weit er wieder weg ist!« sagte ich — und im selben Moment kroch er beinahe vor unseren Füßen aus einem tiefen Fuchsloch ans Tageslicht.
Während einer anderen Spazierfahrt mit Kreilers parkten wir auf einer schönen Lichtung mit hohem Gras. Puck war mit rasender Geschwindigkeit, als gelte es sein Leben, aus dem Wagen gestürzt und bereits in einer
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