Puck
aus, tat sich weh und räumte dann mit einem ärgerlichen Muh ebenfalls den Weg.
»Na also«, sagte die Gefährtin, während Puck aus dem Fußraum wieder ihren Schoß enterte.
Tage später. Wir waren mit der Entdeckung des Walchensees beschäftigt. Er ist eines jener seltsamen Gewässer, die eine Sage in sich sind. Berge und Wälder umgeben diese Wassermasse, die wie ein gläserner Block in ihrer Erdgrube steht, grün an den Rändern, tiefblau in der Mitte. Eine kleine Kapelle mit Totengebein auf einer Landzunge im See. Oben der Herzogstand, wo man eine seltene Art schwarzer Eidechsen findet, die lebend gebären, und wo man gelegentlich Gemsen sehen kann, die an steinernen Rinnen entlangwandeln. Es heißt, daß der See aufkocht, wenn irgendwo in der Welt ein Erdbeben ist.
Meist waren wir unten am Wasser. Wir hatten ein paar Felsfalten dicht über der Flut gefunden, in denen es sich herrlich liegen und schmoren ließ. Wir sonnten uns, und das feurige Gestirn füllte unsere Zellen bis zum Bersten. Libellen ruhten auf unseren Händen und Füßen aus, das Wasser klatschte leise an den Fels. Und alle Augenblicke ein Platschen. Es war Puck, der eine fieberhafte Tätigkeit entfaltete. Er räumte den See ab, in dem allerlei Holz schwamm. Wie ein kleines Motorboot zog er durchs Wasser. Alle paar Minuten warf er uns einen nassen Knüppel aufs Gesicht und bellte uns fordernd an. Aber wir warfen ihm kein Holz mehr in den See, er war zu erschöpft.
Und hier geschah es auch eines Tages, daß sich zum erstenmal der Schatten des Todes über ihn senkte. Wieder waren wir mit dem Kahn hinübergefahren. Wie üblich, hatte er uns halb verrückt gemacht, unentwegt im Boot herumkletternd, den Kopf über den Rand hängend, ständig in Gefahr, hineinzufallen, und sein geliebtes Wasser in den sehnsuchtsvollsten Heultönen anbetend. Am Ufer waren wir ausgestiegen. Die Gefährtin kletterte am Fels herum, und ich, mit dem Rücken zum See, schaute ihr zu.
Puck hatte derweilen seine Räumtätigkeit wieder aufgenommen. Da schwamm ein ganzer Baum im Wasser, ein Ungeheuer. Es streckte Arme um sich. Am besten, man packte es an einem der Arme und zerrte es mit sich. Aber es wehrte sich, das Ungeheuer. Es drehte sich, und Puck, der daran hing, wurde unter Wasser gedrückt. Nur nicht nachgeben! Das alte Kämpferblut erwachte in ihm. Wasser nun in der Schnauze, vor den Augen, in den Ohren, das Gleichgewichtsgefühl ließ nach, eine sonderbare Leere — wo ist oben — wo ist unten — aber festhalten! Wieder ein Moment Luft — dann erneut Wasser. Es drang in die Lungen ein — weiter festhalten — festhalten — das Ufer war nah — er fühlte es kaum noch — wo war Herrchen — es war dunkel — Luft — keine Luft — nur Wasser...
Ich hörte das Röcheln hinter mir, wandte mich um, und da stand er, dürr mit aufgeblähtem Leib, die Augen verdreht, daß man das Weiße sah, er wankte auf mich zu — brach zusammen, wie vom Blitz getroffen.
Ich muß wohl wild aufgeschrien haben, denn plötzlich war auch, den Abhang halb hinunterkugelnd, die Gefährtin da. Als sie das bewußtlos röchelnde Bündel Fell erblickte, schrie auch sie auf, Tränen stürzten aus ihren Augen. Sie stand da mit herunterhängenden Armen, das Gesicht versteinert. Ich packte den willenlosen Körper, der Kopf fiel leblos in meinen Schoß, Geifer rann aus den Mundwinkeln. »Puck!« schrie ich, »Puck — mein Pucki!«
Dicht am Ufer lag der große Stamm, seine Zweige scharrten am Gestein. Ich stellte Puck köpf, massierte seinen Leib, Wasser rann aus seiner Nase, Schaum quoll aus dem Maul. Über mir war der Himmel blau und golden und ungerührt, See und Wälder strahlten vor Schönheit. Und inmitten dieses sommerlichen Festes kämpfte ich verzweifelt um das schwache Fünkchen Leben, das noch im Körper meines geliebten Freundes glomm. Zwischendurch preßte ich mein Ohr an das nasse Fell, drinnen schlug noch das Herz, ganz leise, ab und zu ein Schlag.
»Puck!« hörte ich das Frauchen schreien, »mein Liebling — es kann doch nicht sein — komm doch zu dir, um Gottes willen!«
Mittendrin ließ ich verzweifelt los, er sackte in sich zusammen. Meine Arme waren müde, aber ingrimmig nahm ich den Kampf wieder auf, massierte ihn, bewegte seine Füße. Ich hatte keine Ahnung, was man eigentlich tun sollte — und dann, ganz langsam, wurden seine Augen wieder normal, kehrten in die natürliche Lage zurück, er krächzte, spuckte, schließlich stellte ich ihn auf die Füße — und
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