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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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doch immer so gut!
    Der Zuhörerkreis war unruhig. Auch das Frauchen rückte auf ihrem Platz hin und her. Das geht wirklich zu weit, dachte ich, sie macht die ganze Gesellschaft nervös! Aber auch Robert vollführte merkwürdige Bewegungen in seinem Sessel. Claucha fuhr sogar mit der Hand über ihre Schultern und schabte sich ungeniert den Rücken.
    ]a, das war das tragische Schicksal eines Mannes wie ich: Wollte ich schon einmal was sagen, dann reagierten die nächsten Freunde mit nervöser Verlegenheit. Vielleicht waren sie, genau wie das Frauchen, davon überzeugt, daß ich mich verhaspelte und Unsinn redete. Im alten Griechenland hätte man einen solchen Toast nicht nur geduldet, sondern direkt verlangt! Man hätte ihn vermißt, wenn er nicht als Krönung eines solchen Abends gekommen wäre. Man hätte den Ausbringer des Toastes durch höchste Aufmerksamkeit ermuntert, ihn nicht gehindert und gestört durch allerlei Mätzchen!
    »... diese bürgerliche Welt jedoch«, so fuhr ich fort, »wird ganz zu Unrecht totgesagt. Noch stecken ungeheure Energien in ihr...«
    Kurt fuhr zusammen und bückte sich. Er kratzte sich begeistert und ausdauernd an der Wade, und gleichzeitig erhob sich ein maschinenmäßiges, klopfendes Geräusch. Ich blickte in die Richtung, aus der es kam: Es war Puck, der mutterseelenallein in der Ecke saß und sich kratzte. Ich sah nichts weiter von ihm als seine Augen, die grün im Widerschein der Kerzen aufleuchteten.
    Und dann sah ich etwas anderes: Aus meiner Manschette hervor bewegte sich auf meiner Hand ein dunkler, brauner Floh, ein Monstrum von einem Floh, ein Floh-Elefant! Und gleichzeitig fühlte ich, wie es meinen Rücken herauf- und hinunterstieg. Ich griff zu und — hatte den Floh zwischen den Fingern.
    »Ein Floh!« sagte ich entgeistert.
    Dieses Wort wirkte, als hätte jemand eine Schleuse aufgezogen.
    »Flooohh!« schrie Claucha. »Mein Gott, jetzt weiß ich, was mich so entsetzlich juckt!«
    »Dich?« sagte Robert. »Es juckt nicht nur dich, es juckt uns alle! Es juckt uns die ganze Zeit!«
    Nun sprangen alle auf, und in diesem Moment erschien Dora.
    »Dora«, sagte die Gefährtin, »wir haben alle Flöhe — was sagen Sie dazu?«
    »Was ich dazu sage?« fragte sie und kratzte sich vor unser aller Augen ganz ungeniert am Schenkel: »Das haben Sie von Ihrem Willi!« Dabei funkelte sie mich feindselig an. »Ihr geliebtes, kleines Igelchen! Ich wollte ja bloß nichts sagen, aber ich hab’ ihn mir angesehen, als er in der Pappschachtel im Bad saß: Er wimmelte! Das ganze Vieh war ein Flohmuseum!«
    Jeder von uns fühlte die Schadenfreude in dieser Explosion. Meine Rede wurde nie vollendet.
    Dora verschwand in ihr Zimmer, um sich zu kratzen, die Damen zogen sich in Frauchens Zimmer zurück, und wir Männer veranstalteten eine gemeinsame Entkleidungsszene im Bad. Überall lagen Smokingjacken, Hemden, Hosen, Krawatten. Wir entblößten uns, und ich fühlte mich voller Entsetzen wie auf einer Musterung. Wir verbrauchten sämtlichen Speichel, um unsere ungeübten Fingerkuppen anzufeuchten und sie so geschickter zu machen, das Vermächtnis Willis zur Strecke zu bringen.
    Nach etwa einer Stunde fanden wir uns alle wieder zusammen. Es wurde viel gelacht und noch mehr getrunken. Der Abend wurde nahezu dionysisch und verlor sich in Alkohol und Morgengrauen.
    Unerlöst und voller Probleme blieb nur Puck, dessen rhythmische Kratzgeräusche wir bis in die ersten Stunden des beginnenden Tages hörten. Schließlich erbarmte sich Frauchen seiner, schleppte ihn ins Bad und suchte ihn ab. Nach einer ziemlich langen Zeit erschien sie wieder und verkündete: »Achtundzwanzig Stück!«
    Aber es hörte niemand mehr auf sie.

Schnee

    Vom weiteren Verlauf des Herbstes ist eigentlich nur noch die Sache mit Jackie zu berichten. Jackie war ein Scotch, und zwischen ihm und Puck bestand eine jener unerklärlichen Antipathien, die es nicht nur zwischen Menschen gibt. Jackie wohnte in einem niedrigen Hause, einer Art großen Bungalows mit einem riesigen, etwas verkommenen Garten, es war schon mehr ein kleiner Park. Hinter dem Gitter dieses Parks raste Jackie auf seinen kleinen Stummelbeinen entlang und parallel dazu, auf der Straße, Puck. Auf und ab, auf und ab, die Ohren flogen, die Augen funkelten, die Rachen waren dampfend geöffnet, mit starrenden Zahnreihen fuhr man von beiden Seiten gegen das Gitter, und der Kampfesmut war um so größer, als man genau wußte, daß man sich im Ernst nichts tun konnte. Das

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