Puck
wollten. Inzwischen entwickelte ich der Gefährtin meinen Plan der Abendgesellschaft. Sie war einverstanden. Wenn es galt, leichtsinnig zu sein, war sie immer einverstanden. »Außerdem«, fügte sie hinzu, »haben wir einen richtigen Anlaß für die Feier: Kurt und Helga haben ihre Pässe für England gekriegt. Sie wandern in drei Wochen aus. Wir können Claucha und Robert und Professor Wolter und seine Susanne dazunehmen, sie sind alle zuverlässig. — Willi werden wir in einen Pappkarton tun«, sagte sie zwischendurch, »und ihn bis zum Abend aufheben, damit die anderen ihn auch kennenlernen können. Und in der Nacht, wenn alle heimgehen, lassen wir ihn in Freiheit. Er wird sich gleich wieder zurechtfinden, er ist ja ein Nachttier.«
Eine Gesellschaft zu entrieren, war eine ihrer bedeutendsten Fähigkeiten. Sie machte es auch dieses Mal wirklich wunderschön. Die Zusammenstellung der Hors d’œuvres grenzte an Zauberei, und dann gab es Hummer und hinterher Poulets und Halbgefrorenes. Wir brannten nur Kerzen und das alte Porzellan und Silber schimmerte in dem weichen Glanz des Lichtes.
Helga, Claucha und Susanne sahen entzückend aus, mit freien Schultern und langen Kleidern. Robert schien der gleichen Ansicht zu sein, denn er legte sich gehörig ins Zeug und folgte den vieren, als sie ins Ankleidezimmer gingen, wo die übliche Modenschau stattfand, jener sonderbare Ritus, bei dem man gegenseitig Hüte und Schuhe tauscht und zum soundsovielten Male die Kleiderbestände aufnimmt. Robert flog natürlich in hohem Bogen heraus und gesellte sich wieder zu uns.
Wir hatten es uns derweilen mit einem Whisky bequem gemacht. Johannes Wolter tauschte mit Kurt Erinnerungen aus ihrer beiderseitigen Schulzeit. Robert hörte eine Weile zu. Zwischendurch erschien Puck, der Robert gern mochte, und kroch ihm auf den Schoß. Während Robert weiter lauschte, streichelte er Pucks Kopf. Puck schmatzte vor Wohlbehagen.
Die Tür tat sich auf, und die Damen erschienen. Die Modenschau schien beendet, sie sahen erhitzt aus wie nach einem Dauerlauf.
»Und jetzt, meine Lieben«, sagte Frauchen, »kommt die Überraschung dieses Abends: Wir haben ein neues Familienmitglied. Kommt alle mit ins Bad.«
Die ganze Karawane setzte sich schwatzend und lachend in Bewegung und füllte das Badezimmer bis zum Rand, wo Willi höchst unglücklich in seinem Pappkarton saß.
Er erregte einen Sturm der Begeisterung, besonders bei den Damen. Man nahm ihn heraus, reichte ihn sich gegenseitig zu. Er war gnädig und glättete sogar seinen Stachelpanzer. Seine Rüsselschnauze steckte er hin und wieder heraus und ließ die klugen blanken Augen wie schwarze Knöpfe hin- und herrollen. Es war ein voller Erfolg!
Feierlich brachten wir ihn in den Garten hinaus und ließen ihn dort laufen. Seine harten Krallen klapperten über den Weg, dann raschelte das Laub — und er war verschwunden. Der Wind war nicht kalt, er pustete in die welken Blätter und fegte den Himmel wolkenleer. Wir beobachteten noch ein paar Minuten die Sterne, die blau und grün in der Höhe zitterten, und gruppierten uns dann, um den Eßtisch.
Puck wanderte von Schoß zu Schoß, er legte großen Wert darauf, gekratzt zu werden, und zog die Lefzen schief, wenn es geschah.
»Das ist ja ein urkomischer kleiner Kerl«, sagte Professor Wolter und kratzte sich den Spitzbart. »Kann anscheinend gar nicht genug kriegen!« Er wandte sich an Kurt: »Ich höre, Sie haben Ihre Pässe für England...«
Plötzlich schienen die Kerzen dunkler zu brennen. Als sich die Flämmchen in einem Windhauch bogen, der vom offenen Fenster im Nebenzimmer kam, schauderten wir alle. Die Gefährtin sprang auf und schloß das Fenster mit einem Knall. Ich sehe noch heute das Gesicht Helgas, als sie sagte: »Es wird nicht leicht für uns sein in der Freiheit. Aber was wird aus euch?«
Nun hing der Schatten ganz tief. Der Teufel sollte diesen Wolter holen, der >das Thema< wieder einmal aufgebracht hatte. Ich goß einen großen Whisky pur hinunter: »Wir werden uns schon irgendwie durchschlagen«, erklärte ich mit großartiger Handbewegung. »Vielleicht beruhigen sich die Bonzen auch allmählich, wenn sie Fett ansetzen.«
»Oder es gibt Krieg«, sagte Wolter.
Ich stand auf: »Quatsch.« Plötzlich überkam mich das Bedürfnis, einen Toast auszubringen.
»Meine lieben Freunde...«, begann ich.
Die Gefährtin machte entsetzte Augen: Sie konnte es nicht leiden, wenn ich Ansprachen hielt. Und dabei fand ich meine Ansprachen
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