Puck
Sanders zum Frauchen.
Sie tat es.
»Was hat er nur?« fragte sie, als sie wiederkam. »Was war das für ein Geheul?«
Sanders sah sie mit einem merkwürdigen Blick an. »Das war die Angst um sein Herrchen.«
»Du brauchst mich nicht zu schonen«, erklärte sie, »es war die Totenklage. Ich habe davon gehört.« Nun endlich konnte sie weinen.
Ich hatte alles gehört, aber in meiner Entrücktheit, von einem schmalen, steilen Grat schon in das andere Land schauend, schien es mir in gespenstischer Weise amüsant.
Das nächste, was ich wahrnahm, war, daß ich mich schaukelnd bewegte und dann in eine Röhre geschoben wurde, die gleich darauf mit mir davonrumpelte. Das Frauchen saß neben mir und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Auch Wolfgang war da, und einmal fühlte ich den fernen Stich einer Spritze. Oder war es die Schwester neben mir, die mir eine Injektion gab? Grauer Morgen durch ein fremdes Fenster. Über mir schaukelte eine Flasche, aus der dünne Schläuche zu mir herunterführten. Ich hatte das Gefühl, in einem feurigen See zu liegen, der später langsam kühler wurde. War das der Tod, der an mir emporkletterte? Es war gar nicht so schlimm.
Eines Tages besuchte mich das Frauchen. Sie war unter ihrem Mantel merkwürdig geschwollen, und sobald sich die Tür hinter der Schwester geschlossen hatte, fiel Puck unter dem Mantel zur Erde.
»Hoffentlich bekommen wir keine Unannehmlichkeiten«, sagte ich, »schließlich müssen wir dankbar sein, daß ich das Zimmer bekommen habe, und Hunde sind doch hier streng verboten.«
»Ich habe mit dem Professor gesprochen«, antwortete sie.
Puck hatte sich einen Moment verwirrt umgesehen. Dann entdeckt^ er mich, stieß einen winselnden Laut aus und war mit einem Satz auf meinem Bett, wo er — immer noch winselnd — mein Gesicht ableckte und mich mit seinen dicken Fellarmen umarmte.
Der Professor kam mit der Stationsschwester, drehte sich zu ihr um: »Sehen Sie hier einen Hund?«
»Nein, Herr Professor«, sagte sie lächelnd.
»Ich auch nicht.«
Am nächsten Tag kam der Professor gegen Abend. Er setzte sich zu mir, zündete sich eine Zigarre an und betrachtete mich nachdenklich aus guten braunen Augen.
»Ja, mein Guter«, sagte er, »die Lebensgefahr ist beseitigt — aber ich habe trotzdem ein ungutes Gefühl, weil ich die eigentliche Ursache nicht gefunden habe. Besonders diese plötzliche rapide Gewichtsabnahme... Erzählen Sie mir doch noch mal alle Ihre Krankheiten, von Jugend an.«
»Aber das habe ich doch schon getan.«
»Tun Sie’s noch mal.«
Ich tat es, und als ich in die neueste Zeit kam, fiel mir noch etwas ein, eine Kleinigkeit: »Jetzt vor kurzem hatte ich mich erkältet, ein kleiner Blasenkatarrh, der gleich wieder weg war.«
Der Professor hob den Kopf: »So, gleich wieder weg? Wodurch?«
»Dr. Sanders hat mir solche Pillen gegeben, wie sie genau heißen, weiß ich nicht mehr. Es waren Sulfonamide.«
In den braunen Augen war ein Funkeln: »Aha! Und Sie haben, um schneller wieder an Deck zu kommen, statt einer zwei genommen!«
»Dreimal drei, um genau zu sein.«
Er sprang auf, stampfte auf seinen kurzen Beinen ein paarmal durchs Zimmer. »Dann weiß ich ja endlich Bescheid. Sie haben sich durch Überdosierung der Sulfonamide eine schwere Leberschädigung geholt. Die Lungenentzündung obendrauf — und beinahe wäre Schluß gewesen.«
»Was kann man denn da tun?«
»Nicht viel. Vor allem kann ich Sie nicht mehr hier halten. Ich gebe Ihnen ein Attest. Sie müssen weg von hier, vollkommen arbeitsunfähig.«
»Für immer?«
»Nein, aber es wird einige Jahre dauern, bis Sie wieder einsatzfähig sind.«
»Wo soll ich denn hin?«
Er dachte nach: »Ich würde sagen, nach Oberbayern. Da sind Sie vor Luftangriffen relativ sicher. Ich kenne eine Frau Professor Ulitz in Felsental. Das liegt hinter Garmisch in den Bergen. Werner Ulitz war ein Freund von mir, Bildhauer, er starb vor fünf Jahren. Seine Witwe lebt noch in Werners Landhaus, wunderschönes, uraltes Ding, liegt hoch am Hang. Sie scheint noch Platz zu haben, denn sie hat mich noch vor kurzem eingeladen. Soll ich ihr telegrafieren?«
»Bitte!«
»Was werden Sie mit Ihrem Hündchen machen?«
»Mitnehmen natürlich!«
»Das wird wohl nicht möglich sein. Nach dem schweren Angriff gestern sind die Bahnhöfe belagert.«
»Ich muß es schaffen, ohne Puck fahre ich nicht.«
Unter seinem kurzgeschnittenen grauen Schnurrbart war ein grimmiges Lächeln: »Es ist völliger Wahnsinn —
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