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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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ich, was passieren würde, wenn sich die zwei Hunde näher kommen mußten. Der Wolfshund war gerade die Sorte, mit der sich mein größenwahnsinniges Paket einzulassen pflegte, ein Unterfangen, das meistens beim Tierarzt endete. Diesmal aber gab es keinen Tierarzt. Nicht einmal Verbandszeug. Die Hunde kamen sich näher, und das schwarze Ungeheuer schien in der richtigen Laune, um das weiße Holzpferd auseinanderzunehmen. Ich preßte Puck an mich, streichelte mit der anderen Hand den Schwarzen, zog ihn etwas an mich und begann ihn unter der Brust zu kraulen. »Vielen Dank!« sagte ein Herr, dem man den Hut ins Gesicht geschoben hatte. »Vielen Dank! Brav, Lux, schön brav!«
    Lux hob die lange Nase und beroch Puck. Der aber sträubte nicht ein Haar, beobachtete nur immer die zusammengequetschten Riesen, die ihn eng umstanden. Jetzt beroch der Schwarze mein Gesicht. »Braver Lux!« flüsterte ich, worauf er es fertigbrachte, sich irgendwie zwischen den vielen Beinen mir zu Füßen zu legen.
    Ich zählte: Im Abteil, das für acht Sitzplätze gedacht war, drängten sich jetzt siebenundzwanzig Menschen und zwei Hunde. Es wollten immer noch mehr Leute herein, aber es ging beim besten Willen nicht. An der Tür draußen auf dem Bahnsteig waren heftige Auseinandersetzungen im Gange. Vor meinen Augen drehten sich grüne Ringe. Wieder war ich schweißnaß, Hände und Beine zitterten. Mir war völlig schleierhaft, wie ich die vielen Stunden Bahnfahrt durchhalten sollte. Am meisten quälte mich, daß ich nicht mit dem Frauchen im Sitzen abwechseln konnte, aber ich wußte, daß ich sofort ohnmächtig werden würde, wenn ich aufstand.
    Die Stunden zogen sich hin. Oft war ich in einem Dämmerzustand. Puck hatte eine Schlaftablette bekommen und schlief in meinem Arm.
    Es wurde Nacht. Wir fuhren immer noch. Aber — wir fuhren ja rückwärts! Sofort war ich hellwach. Das Frauchen saß mit einer anderen Frau zusammen auf einem Koffer, das bekam ich nach einiger Zeit in dem abgeblendeten Blaulicht heraus. Auch Puck wurde munter. »Was ist denn los?«
    »Luftalarm«, sagte die Gefährtin. »Da hinten geht’s schon los.«
    Ich sah einen >Tannenbaum< aus Leuchtkugeln langsam niedersinken. Der Zug hielt, in der Luft war ein Brausen.
    »Was soll das alles?« fragte ich schlaftrunken.
    »Erst ist der Zug rückwärts aus der Station gefahren, damit er nicht im Bahnhof erwischt wird, und jetzt hält er.«
    »Puck weint, ich glaube, er muß mal ‘raus. Setz dich auf meinen Platz, damit du mal richtig ausruhen kannst. Ich gehe mit ihm.«
    »Aber wenn nun der Zug plötzlich abfährt?«
    »Wird er nicht. Hör mal, die Leute steigen überall aus. Hier hast du meine Taschenlampe. Wenn was ist, machst du damit am Fenster einen Kreis.«
    Draußen war allgemeines Rumoren und Getriebe. Aus allen Abteilen quollen die Leute. »Alles ‘raus und hinlegen!« kommandierte jemand, doch niemand kümmerte sich um den Befehl. In langen Reihen hockten und standen die Menschen in der Nacht und erledigten ihre Bedürfnisse. »Licht aus!« schrie alles, als ein Unverbesserlicher sich eine Zigarette anzündete. Hinter uns krachende Bombeneinschläge. Ihre Blitze und die mehr und mehr auflodernden Brände erleuchteten die Finsternis. Puck und der Wolfshund hoben Seite an Seite das Bein und gingen dann in die Knie. Aus dem Nachthimmel fiel etwas wie eine lodernde Fackel und schlug mit schrecklicher Wucht keine fünfhundert Meter von uns entfernt auf. Puck war plötzlich nicht mehr zu sehen. Mein Herz klopfte wie rasend. Ich begann zu rufen. An der Seite der schwarzen Zugschlange erschien ein winziges, kreisendes Licht, ich stolperte dorthin, hörte Frauchens Stimme: »Er ist bei mir!«
    Als ich die hohen Stufen hinaufkletterte, fiel er mir um den Hals, umarmte und küßte mich.
    »Ich war gerade auf der Toilette und habe mich etwas frisch gemacht.«
    Im gleichen Augenblick schrillten die Pfeifen der Schaffner: »Einsteigen — es geht weiter!« Etwas sauste so dicht über den Zug hinweg, daß wir die Schultern krumm machten und Puck mit gespitzten Ohren nach oben sah. »Willst du nicht wenigstens etwas Luft schnappen?« fragte ich die Gefährtin. Aber sie antwortete nicht, sie war auf meinem Sitz eingeschlafen. Ich setzte mich, bis der Eigentümer des Platzes zurückkam, neben sie. Aber es kam niemand. Das Abteil schien längst nicht mehr so besetzt wie vorhin. Es waren wohl viele unterwegs ausgestiegen. Andere liefen rufend am Zug entlang und suchten ihre Abteile.

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