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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Dachrinne Kaffee trinken, Sie impertinentes Gespenst, Sie .. .«
    Fräulein Andacht hielt sich beide Ohren zu, kniff vor Wut die Augen klein und schob wie eine Giraffe durch den Korridor.

    Die vierte Nachdenkerei handelt: VOM MUT

    Ich möchte an dieser Stelle ein bißchen über den Mut reden. Anton hat eben einem Jungen, der größer ist als er, zwei Ohrfeigen gegeben. Und da könnte man ja nun meinen, Anton habe Mut bewiesen. Es war aber gar nicht Mut, es war Wut. Und das ist ein kleiner Unterschied, nicht nur im Anfangsbuchstaben.
    Mut kann man nur haben, während man kaltes Blut hat. Wenn sich ein Arzt, um zu probieren, ob er recht hat, lebensgefährliche Bakterien einspritzt und anschließend mit einem Gegenmittel impft, das er entdeckt hat, zeigt er Mut. Wenn ein Polarforscher, um Entdeckungen zu machen, mit ein paar Hundeschlitten nach dem Nordpol kutschiert, beweist er Mut. Wenn Professor Piccard mit einem Ballon in die Stratosphäre aufsteigt, obwohl noch niemand vorher dort oben war, dann ist er mutig.
    Habt ihr die Sache mit Professor Piccard verfolgt?
    Das war interessant. Er wollte wiederholt aufsteigen, aber dann unterließ er es wieder, weil das Wetter nicht geeignet war. Die Zeitungen machten sich schon über ihn lustig. Die Leute lachten schon, wenn sie seine Fotografie sahen. Aber er wartete den geeigneten Moment ab. Er war so mutig, daß er sich lieber auslachen ließ, als eine dumme Handlung zu begehen. Er war nicht tollkühn, er war nicht verrückt, er war ganz einfach mutig. Er wollte etwas erforschen, er wollte nicht berühmt werden.
    Mut beweist man nicht mit der Faust allein, man braucht den Kopf dazu.

Fünftes Kapitel - JEDER SEIN EIGENER Z A H N A R Z T
    D i r e k t o r Pogge war noch in seiner Spazierstockfabrik. Die gnädige Frau lag noch im Schlafzimmer und vertrieb sich die Zeit mit Migräne. Fräulein Andacht saß in ihrer Stube.
    Pünktchen und Piefke waren bis zum Abendessen allein. Pünktchen holte bei der dicken Berta weißen Zwirn und sagte zu dem Dackel, der etwas müde in seinem Körbchen hockte: »Nun paß mal auf, mein Kleiner!« Piefke paßte auf. Er war, solange er müde war, ein folgsamer Hund.
    Das Kind riß etwas Zwirn von der Rolle, schlang das eine Ende in einem Knoten um den wackligen Zahn und befestigte das andere Ende an der Türklinke. »Jetzt wird's Ernst«, sagte Pünktchen und machte »Brrrr!«. Dann ging sie allmählich von der Tür weg, bis der Zwirnsfaden straff gespannt war. Sie ruckte ein wenig an, stöhnte erbärmlich und schnitt ein verzweifeltes Gesicht. Sie ging wieder zur Tür, der Zwirn wurde wieder locker. »Piefke, Piefke«, erklärte sie, »das ist kein Beruf für mich.« Dann lief sie noch einmal von der Tür fort, aber sie jammerte schon, bevor der Faden straff war.
    »Ausgeschlossen«, sagte sie, »wenn der Junge hier wäre, würde ich's vielleicht riskieren.« Sie lehnte sich an die Tür und dachte angestrengt nach. Dann knotete sie den Zwirn von der Klinke los.
    »Gib mal Pfötchen«, befahl sie. Aber das konnte Piefke noch nicht. Pünktchen bückte sich, hob den Dackel hoch und setzte ihn auf ihr kleines Schreibpult.
    Sie band das freie Fadenende um Piefkes linkes Hinterbein. »Und nun spring 'runter!« bat sie. Piefke rollte sich statt dessen zusammen und gedachte, auf dem Pult einen langen Schlaf zu tun.
    »Spring 'runter!« murmelte Pünktchen drohend und schloß, dem Schicksal ergeben, die Augen.
    Der kleine Dackel spitzte, so gut das bei seinen Löffeln möglich war, die Ohren. Aber vom Springen war nach wie vor keine Rede. Pünktchen öffnete die Augen wieder. Die auf Vorrat ausgestandene Angst war umsonst gewesen. Da gab sie Piefke einen Stoß, und nun blieb ihm nichts weiter übrig: er sprang auf den Boden. »Ist der Zahn 'raus?« fragte sie ihn. Er wußte es auch nicht. Pünktchen griff sich in den Mund.
    »Nein«, sagte sie. »Der Faden ist zu lang, mein Sohn.«
    Da kletterte sie mit Piefke unterm Arm auf den Schemel, der vor dem Pult stand. Dann bückte sie sich und setzte den Hund wieder aufs Pult. »Wenn das nicht hilft«, murmelte sie, »laß ich mich chloroformieren.« Sie gab Piefke einen kleinen Stoß, er rutschte das Pult hinab, Pünktchen stellte sich kerzengerade. Der Hund segelte über die Pultkante ins Parterre.
    »Au!« schrie das Kind. Es schmeckte Blut. Piefke hoppelte in den Korb. Er war froh, daß er nicht mehr angebunden war. Pünktchen wischte sich ein paar Tränen aus den Augen. »Junge, Junge«, sagte sie und

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