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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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suchte ein Taschentuch. Schließlich fand sie eines, schob es in ihren Mund und biß darauf. Der Zwirnsfaden hing über den Korbrand. Ein kleiner, weißer Zahn lag mitten im Zimmer. Pünktchen befreite den Hund von seinem Zwirn, hob den Zahn auf und tanzte durch das Zimmer. Dann sauste sie zu Fräulein Andacht.
    »Der Zahn ist 'raus, der Zahn ist 'raus!«
    Fräulein Andacht bedeckte rasch ein Stück Papier, in der rechten Hand hielt sie einen Bleistift. »So?« sagte sie. Das war alles.
    »Was ist mit Ihnen los?« fragte Pünktchen. »Sie sind seit ein paar Tagen sehr komisch, merken Sie das nicht selbst? Wo brennt's denn?« Sie stellte sich neben das Kinderfräulein, schielte heimlich nach dem Papier und sagte, als sei sie ihr eigner Großvater: »Na, nun schütten Sie mal Ihr Herz aus.«
    Fräulein Andacht hatte keine Lust zu beichten.
    »Wann hat Berta eigentlich Ausgang?« fragte sie.
    »Morgen«, erklärte Pünktchen. »Und wozu wollen Sie das wissen?«
    »Nur so«, sagte das Fräulein.
    »Nur so!« rief Pünktchen aufgebracht. »Solche Antworten hab ich gern.« Aber aus dem Fräulein war heute nichts herauszubringen. Jedes Wort kostete einen Taler. Da ließ sich Pünktchen, als ob sie gestolpert sei, gegen den Arm des Fräuleins fallen. Das Papier wurde sichtbar. Es enthielt lauter mit Bleistift gezogene Vierecke. »Wohnzimmer« stand in dem einen Viereck, »Arbeitszimmer« in dem andern. Aber dann lagen schon wieder die großen, dürren Hände des Fräuleins darüber.
    Pünktchen wußte nicht, was sie davon halten sollte, und dachte: Das muß ich heute abend Anton erzählen, vielleicht versteht der's.
    Anderthalb Stunden später lag das Kind im Bett.
    Die Andacht saß daneben und las das Märchen vom Swinegel und seiner Frau vor. »Da haben Sie's«, meinte Pünktchen, »die beiden Schweinigel sehen aus wie Zwillinge. Ich hatte schon ganz recht, heute mittag.
    Wenn ich ein Zwilling wäre, und der andere Zwilling hieße Karlinchen, dann könnten wir in der Turnstunde auch jedes Wettrennen gewinnen.«
    Dann kamen die Eltern ins Kinderzimmer. Die Mutter trug ein schönes seidenes Abendkleid und goldene Schuhe, und der Vater war im Smoking. Sie gaben der Tochter je einen Gutenachtkuß, und Frau Pogge sagte: »Schlaf gut, meine Süße.«
    »Wird gemacht«, erklärte Pünktchen.
    Der Vater setzte sich auf den Bettrand, aber seine Frau drängte: »Komm, der Generalkonsul liebt die Pünktlichkeit.«
    Das kleine Mädchen nickte dem Vater zu und sagte: »Direktor, macht keine Dummheiten!«
    Kaum waren die Eltern fort, sprang Pünktchen aus dem Bett und rief: »Los geht's!« Fräulein Andacht rannte in ihr Zimmer und holte aus der Kommode ein altes zerrissenes Kleidchen. Das brachte sie dem Kind.
    Sie selber zog einen mit Flicken besetzten Rock an und einen schrecklich verschossenen grünen Jumper. »Bist du fertig?« fragte sie.
    »Jawohl!« rief Pünktchen vergnügt, und dabei sah sie in ihrem zerrissenen Kleid zum Erbarmen aus. »Sie haben Ihr Kopftuch noch nicht um«, sagte sie.
    »Wo habe ich das denn vorgestern hingelegt?«
    fragte Fräulein Andacht. Doch dann fand sie es, band es sich um, setzte eine blaue Brille auf, holte eine Markttasche unterm Sofa vor, und so verkleidet schlichen die beiden auf den Zehenspitzen aus dem Haus.
    Zehn Minuten, nachdem sie das Haus verlassen hatten, kam Berta die Treppe, die zu ihrem höher gelege-5 nen Mädchenzimmer führte, leise herabgeschlichen, so leise die dicke Berta eben schleichen konnte. Sie klopfte sachte an Pünktchens Tür, aber niemand antwortete.
    >Ob sie denn schon schläft, die kleine Krabbe?< fragte sie sich. >Vielleicht verstellt sie sich bloß. Da will ich ihr nun ein Stück von dem frisch gebackenen Kuchen zustecken. Aber seit die Andacht, dieses dumme Luder, da ist, traut man sich rein gar nichts mehr. Neulich, wie ich die Tür aufgeklinkt habe, hat sie mich gleich bei der Gnädigen verklatscht. Der Schlaf vor Mitternacht sei der beste und dürfe nicht gestört werden. So 'n Quatsch, Schlaf vor Mitternacht! Pünktchen sieht jetzt manchmal aus, als ob sie nachts überhaupt nicht mehr schläft. Und dauernd das Getue und Getuschle. Ich weiß nicht, mir kommt hier neuerdings alles ganz komisch vor. Wenn der Direktor und Pünktchen nicht wären, wär ich längst getürmt.< »Wirst du wohl«, drohte sie Piefke, der sich in seinem Körbchen vor Pünktchens Tür aufgerichtet hatte und nach dem Kuchen sprang. »Leg dich hin, du Töle, keinen Mucks! Hier hast du ein

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