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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Stück, aber nun ruhig.
    Du bist noch der einzige im Haus, der keine Heimlichkeiten vor einem hat.«

    Die fünfte Nachdenkerei handelt: VON DER NEUGIERDE

    Wenn meine Mutter einen Roman liest, macht sie das so: Erst liest sie die ersten zwanzig Seiten, dann den Schluß, dann blätterte sie in der Mitte, und nun nimmt sie erst das Buch richtig vor und liest es von Anfang bis Ende durch. Warum macht sie das? Sie muß, ehe sie den Roman in Ruhe lesen kann, wissen, wie er endet. Es läßt ihr sonst keine Ruhe. Gewöhnt euch das nicht an! Und falls ihr es schon so macht, gewöhnt es euch wieder ab, ja?
    Das ist nämlich so, als wenn ihr vierzehn Tage vor Weihnachten in Mutters Schrank stöbert, um vorher zu erfahren, was ihr geschenkt kriegt. Und wenn ihr dann zur Bescherung gerufen werdet, wißt ihr schon alles.
    Ist das nicht schrecklich? Da müßt ihr dann überrascht tun, aber ihr wißt ja längst, was ihr bekommt, und eure Eltern wundern sich, warum ihr euch gar nicht  richtig freut. Euch ist das Weihnachtsfest verdorben, und ihnen auch.
    Und als ihr heimlich im Schrank herumsuchtet und die Geschenke vierzehn Tage früher fandet, hattet ihr, vor lauter Angst, überrascht zu werden, auch keine rechte Freude. Man muß abwarten können. Die Neugierde ist der Tod der Freude.

Sechstes Kapitel - DIE KINDER MACHEN NACHTSCHICHT
    Kennt ihr die Weidendammer Brücke? Kennt ihr sie am Abend, wenn unterm dunklen Himmel ringsum die Lichtreklamen schimmern? Die Fassaden der Komischen Oper und des Admiralspalastes sind mit hellen Schaukästen und bunter Leuchtschrift bestreut. An einem anderen Giebel, jenseits der Spree, zappelt in tausend Glühbirnen die Reklame für ein bekanntes Waschmittel, man sieht einen riesigen Kessel, der Wasserdampf steigt empor, ein blütenweißes Hemd erhebt sich wie ein freundlicher Geist, eine ganze bunte Bilderserie läuft ab. Und dahinter, über den Häusern des Schiffbauerdamms, glänzt der Giebel des Großen Schauspielhauses.
    Autobusse rollen in Kolonnen über den Brückenbogen. Im Hintergrund erhebt sich der Bahnhof Friedrichstraße. Hochbahnen fahren über die Stadt hin, die Fenster der Züge sind erleuchtet, und die Wagen gleiten wie schillernde Schlangen in die Nacht. Manchmal ist der Himmel rosa vom Widerschein des vielen Lichts, das unter ihm strahlt.
    Berlin ist schön, hier besonders, an dieser Brücke, und abends am meisten! Die Autos drängen die Friedrichstraße hinauf. Die Lampen und die Scheinwerfer blitzen, und auf den Fußsteigen schieben sich die Menschen vorwärts. Die Züge pfeifen, die Autobusse rattern, die Autos hupen, die Menschen reden und lachen.
    Kinder, das ist ein Leben!
    Auf der Brücke stand eine dürre arme Frau mit einer dunklen Brille. Sie hielt eine Tasche und ein paar Schachteln Streichhölzer in der Hand. Neben ihr knickste ein kleines Mädchen in einem zerrissenen Kleid. »Streichhölzer, kaufen Sie Streichhölzer, meine Herrschaften!« rief das kleine Mädchen mit zitternder Stimme. Viele Menschen kamen, viele Menschen gingen vorüber. »Haben Sie doch ein Herz mit uns armen Leuten«, rief das Kind kläglich, »die Schachtel nur zehn Pfennig.« Ein dicker Mann näherte sich der Gruppe und griff in die Tasche.
    »Mutter ist völlig erblindet und noch so jung. Drei Schachteln fünfundzwanzig!« stammelte das Mädchen.
    Der dicke Mann gab ihr einen Groschen und ging weiter. »Gott segne Sie, liebe Dame!« rief das Kind. Da erhielt sie von der dürren Person einen Stoß. »Das war doch keine Dame, das war doch ein Mann, du dummes Ding«, murmelte die Frau ärgerlich.
    »Sind Sie nun blind oder nicht?« fragte das kleine Mädchen gekränkt. Dann knickste sie aber wieder und rief zitternd: »Streichhölzer, kaufen Sie Streichhölzer, meine Herrschaften!«, und jetzt gab ihr eine alte Dame einen Groschen und nickte freundlich.
    »Das Geschäft blüht«, flüsterte das Kind. »Wir haben schon zwei Mark dreißig eingenommen und nur fünf Schachteln Streichhölzer hergegeben.« Dann rief sie wieder kläglich: »Haben Sie doch ein Herz mit uns armen Leuten. Die Schachtel nur zehn Pfennig!« Plötzlich hüpfte sie vergnügt und winkte. »Anton steht auf der anderen Seite«, berichtete sie. Dann fiel sie aber gleich wieder in sich zusammen, knickste und klagte, daß den Vorübergehenden angst und bange wurde.
    »Vielen heißen Dank«, sagte sie. Das Kapital wuchs.
    Sie warf das Geld in die Markttasche. Es fiel auf die anderen Münzen und klimperte lustig. »Und Sie

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