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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Anton«, würde er darunterschreiben. So würde ihm die Mutter wenigstens ein gutes Andenken bewahren können.
    Auf den Zehenspitzen schlich er aus der Küche, durch den Korridor, klinkte die Korridortür behutsam auf, trat hinaus und schloß die Tür wie ein Dieb.
    Die Mutter stand noch lange am Fenster und sah durch die Scheiben, als liege dort draußen ihr armseliges, trübes Leben ausgebreitet. Nichts als Kummer hatte sie gehabt, nichts als Krankheit und Sorgen. Daß ihr Junge den Geburtstag vergessen hatte, schien ihr von heimlicher Bedeutung. Auch er ging ihr allmählich verloren wie alles vorher, und so verlor ihr Leben den letzten Sinn. Als sie operiert worden war, hatte sie gedacht: Ich muß leben bleiben, was soll aus Anton wer-7 den, wenn ich jetzt sterbe? Und nun vergaß er ihren Geburtstag!
    Endlich regte sich Mitleid mit dem kleinen Kerl. Wo mochte er stecken? Er hatte seine Vergeßlichkeit längst bereut. »Hast du gerufen, Mama?« hatte er noch gefragt, bevor er mutlos das Zimmer verließ. Sie durfte nicht hart sein. Er war so erschrocken gewesen. Sie durfte nicht streng sein, er hatte in den letzten Wochen ihretwegen viel ausgestanden. Erst hatte er sie jeden Tag im Krankenhaus besucht. In der Volksküche hatte er essen müssen, und Tag und Nacht war er mutterseelenallein in der Wohnung gewesen. Dann war sie nach Hause gebracht worden. Seit vierzehn Tagen lag sie im Bett, und er kochte und ging einkaufen, und ein paarmal hatte er sogar die Zimmer mit einem nassen Lappen aufgewischt.
    Sie begann ihn zu suchen. Sie trat ins Schlafzimmer.
    Sie ging in die Küche. Sie sah sogar in der Toilette nach. Sie machte im Korridor Licht und schaute hinter die Schränke.
    »Anton!« rief sie. »Komm, mein Junge, ich bin wieder gut! Anton!«
    Sie rief bald laut und bald leise und zärtlich. Er war nicht in der Wohnung. Er war fortgelaufen! Sie wurde sehr unruhig. Sie rief bittend seinen Namen. Er war fort.
    Er war fort! Da riß sie die Wohnungstür auf und rannte die Treppe hinunter, ihren Jungen zu suchen.

    Die neunte Nachdenkerei handelt: VON DER SELBSTBEHERRSCHUNG

    Mögt ihr den Anton gut leiden? Ich hab ihn sehr gern.
    Aber einfach davonlaufen und die Mutter sitzenlassen, das gefällt mir, offen gestanden, nicht besonders. Wo kämen wir hin, wenn jeder, der etwas falsch gemacht hat, davonrennen wollte? Das ist gar nicht auszudenken. Man darf nicht den Kopf verlieren, man muß ihn hinhalten!
    Mit anderen Sachen ist es auch so. Da hat ein Junge schlechte Zensuren gekriegt, oder der Lehrer hat den Eltern einen Brief geschrieben, oder ein Kind hat zu Hause aus Versehen eine teure Vase entzweigeschlagen, und wie oft liest man dann: »Aus Angst vor Strafe geflohen. Nirgends auffindbar. Die Eltern befürchten das Schlimmste.«
    Nein, Herrschaften, so geht das nicht! Wenn man etwas angestellt hat, muß man sich zusammennehmen  und Rede stehen. Wenn man so große Angst vor Strafe hat, sollte man sich das gefälligst vorher überlegen.
    Selbstbeherrschung ist eine wichtige, wertvolle Eigenschaft. Und was an ihr besonders bemerkenswert ist: Selbstbeherrschung ist erlernbar. Alexander der Große zählte, um sich nicht zu unüberlegten Taten hinreißen zu lassen, jedesmal erst bis dreißig. Also, das ist ein wunderbares Rezept. Befolgt es, wenn es nötig sein sollte!
    Noch besser ist es, ihr zählt bis sechzig.

Zehntes Kapitel - ES KONNTE AUCH SCHIEFGEHEN
    » G u t e n Tag, Frau Gast«, sagte jemand, als sie aus dem Haus trat. »Sie sehen ja glänzend aus.« Es war Pünktchen mit Piefke, und eigentlich fand das Kind Antons Mutter schrecklich blaß und aufgeregt. Aber der Junge hatte sie gebeten, das Aussehen seiner Mutter vortrefflich zu finden. Und sie war ein Mädchen, das Wort hielt, oho! Fräulein Andacht war mit ihrem Herrn Bräutigam bei Sommerlatte und hatte sie Punkt sechs Uhr zum Abholen bestellt.
    Frau Gast blickte verstört um sich und gab Pünktchen die Hand, ohne ein Wort zu sprechen.
    »Wo ist denn Anton?« fragte das Kind.
    »Fort!« flüsterte Frau Gast. »Davongelaufen. Ich war böse, weil er meinen Geburtstag vergessen hatte.«
    »Da gratuliere ich von Herzen«, sagte Pünktchen.
    »Ich meine, weil Sie Geburtstag haben.«
    »Ich danke dir«, erwiderte die Frau. »Wo kann er nur sein?«
    »Nun verlieren Sie mal nicht den Kopf«, tröstete Pünktchen. »Den Jungen kriegen wir wieder. Unkraut verdirbt nicht. Was halten Sie davon, wenn wir in die Geschäfte gehen und uns überall erkundigen?« Weil die

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