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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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sie einer runden verbeulten Teekanne glich. Die dünnen, nackten Beine, die unter der Jacke vorguckten, wirkten wie Trommelstöcke. Auf dem Kopf schaukelte Bertas Sonntagshut. Das war ein tolles Ding aus buntem Stroh. In der einen Hand hielt Pünktchen das Nudelholz und einen aufgespannten Regenschirm, in der anderen einen Bindfaden. An dem Bindfaden war eine Bratpfanne festgebunden, und in der Bratpfanne, die klappernd hinter dem Kind hergondelte, saß Piefke, der Dackel, und runzelte die Stirn. Übrigens runzelte er die Stirn nicht etwa, weil er verstimmt war, sondern er hatte zuviel H a u t am Kopf. Und weil die H a u t nicht wußte, wohin, schlug sie Dauerwellen.
    Pünktchen spazierte einmal rund um den Tisch, blieb dann vor ihrem Vater stehen, betrachtete ihn prü-
    fend und fragte ernsthaft: »Kann ich mal die Fahrscheine sehen?«
    »Nein«, sagte der Vater. »Erkennen Sie mich denn nicht? Ich bin doch der Eisenbahnminister.«
    »Ach so«, sagte sie.
    Fräulein Andacht stand auf, packte Pünktchen beim Kragen und rüstete sie ab, bis sie wieder wie ein normales Kind aussah. Die dicke Berta nahm das Kostüm und das Nudelholz und den Regenschirm und brachte die Sachen hinaus. Sie lachte noch in der Küche. Man konnte es ganz deutlich hören.
    »Wie war's in der Schule?« fragte der Vater, und weil Pünktchen nicht antwortete, sondern in der Suppe herumplanschte, fragte er gleich weiter: »Wieviel ist drei
    mal acht?«
    »Drei mal acht? Drei mal acht ist einhundertzwanzig durch fünf«, sagte sie. Herr Direktor Pogge wunderte sich über gar nichts mehr. Er rechnete heimlich nach, und weil’s stimmte, aß er weiter. Piefke war auf einen leeren Stuhl geklettert, stützte die Vorderpfoten auf den Tisch und gab stirnrunzelnd Obacht, daß alle ihre Suppe aßen. Es sah aus, als wolle er eine Rede halten. Berta brachte  Huhn mit Reis und gab Piefke einen Klaps. Der Dackel verstand das falsch und kroch völlig auf den Tisch.
    Pünktchen setzte ihn auf die Erde hinunter und sagte: »Am liebsten möchte ich ein Zwilling sein.«
    Der Vater hob bedauernd die Schultern. »Das wäre großartig«, sagte das Kind. »Wir gingen dann beide gleich angezogen und hätten die gleiche Haarfarbe und die gleiche Schuhnummer und gleiche Kleider und ganz, ganz gleiche Gesichter.«
    »Na und?« fragte Fräulein Andacht.
    Pünktchen stöhnte vor Vergnügen, während sie sich die Sache mit den Zwillingen ausmalte. »Keiner wüßte, wer ich bin und wer sie ist. Und wenn man dächte, ich bin es, ist sie es. Und wenn man dächte, sie ist es, dann bin ich’s. Hach, das wäre blendend.«
    »Nicht zum Aushalten«, meinte der Vater.
    »Und wenn die Lehrerin ›Luise!‹ riefe, dann würde ich aufstehen und sagen: ›Nein, ich bin die andere.‹ Und dann würde die Lehrerin >Setzen!< sagen und die andere aufrufen und schreien: >Warum stehst du nicht auf, Luise?<, und die würde sagen: >Ich bin doch Karlinchen.< Und nach drei Tagen bekäme die Lehrerin Krämpfe und Erholungsurlaub fürs Sanatorium, und wir hätten Ferien.«
    »Zwillinge sehen meist sehr verschieden aus«, behauptete Fräulein Andacht.
    »Karlinchen und ich jedenfalls nicht«, widersprach Pünktchen. »So was von Ähnlichkeit habt ihr noch nicht gesehen. Nicht mal der Direktor könnte uns unterscheiden.« Der Direktor, das war ihr Vater.
    »Ich habe schon an dir genug«, sagte der Direktor und nahm sich die zweite Portion Huhn.
    »Was hast du gegen Karlinchen?« fragte Pünktchen.
    »Luise!« rief er laut. Wenn er »Luise« sagte, dann hieß das, jetzt wird pariert, oder es setzt was. Pünktchen schwieg also, aß Huhn mit Reis und schnitt Piefke, der neben ihr kauerte, heimlich Grimassen, bis der sich vor Entsetzen schüttelte und in die Küche sauste.
    Als sie beim Nachtisch saßen, es gab Reineclauden, erschien endlich Frau Pogge. Sie war zwar sehr hübsch, aber, ganz unter uns, sie war auch ziemlich unausstehlich. Berta, das Dienstmädchen, hatte mal zu einer Kollegin gesagt: »Meine Gnädige, die sollte man mit ‘nem nassen Lappen erschlagen. Hat so ein nettes, ulkiges Kind und so einen reizenden Mann, aber denkst du vielleicht, sie kümmert sich um die Zwei? Nicht in die Tüte. Den lieben langen Tag kutschiert sie in der Stadt rum, kauft ein, tauscht um, geht zu Fünf-Uhr-Tees und zu Modevorführungen, und abends muß dann der arme Mann auch noch mitstolpern. Sechstagerennen, Theater, Kino, Bälle, dauernd ist der Teufel los. Nach Hause kommt

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