Puerta Oscura - 01 - Totenreise
ausging. Es war schwer zu glauben, dass sie tot waren …
»Ist schon in Ordnung, Pascal«, beschwichtigte sie ihn mit einem traurigen Lächeln. »Es war ein Flugzeugunglück. Wir hatten schon zur Landung angesetzt. Ich sollte nach einem längeren Auslandsaufenthalt wieder zu meiner Familie zurückkehren. Doch es sollte anders kommen, die Würfel waren schon gefallen. Stundenlang hatte ich im Flieger gesessen und Musik gehört, ohne zu wissen, dass dies die letzten Momente meines Lebens sein würden.« Sie seufzte, als könnte sie es immer noch nicht glauben. »Es geschah bei der Landung. Das Fahrwerk klemmte, die Maschine schoss über die Landebahn hinaus und verwandelte sich in einen Feuerball. Alles verbrannte, selbst vom Flugzeugrumpf blieb nicht viel übrig, und meinen Körper gab es nicht mehr nach dieser Katastrophe. So konnten mich meine Eltern nicht im Familiengrab beerdigen und ich bin eine umherirrende Seele. Manchmal begegne ich auf den Leuchtpfaden anderen Passagieren aus dem Flugzeug.«
Pascal schluckte. »Das tut mir leid.« Seine Stimme war rau.
»Das muss es nicht, Pascal. Es gibt Menschen, die leben ein langes Leben, aber sind deshalb nicht glücklich. Ich habe mein Leben bis siebzehn zumindest total genossen. Das Einzige, was ich bedaure, ist, dass ich meinen Eltern den Schmerz über meinen Tod nicht ersparen konnte. Es muss sie sehr getroffen haben.«
Pascal räusperte sich.
»Das lag nicht in deiner Hand«, versuchte er sie zu trösten, »und die schönen Erinnerungen an dich haben ihnen bestimmt geholfen.«
»Ich hoffe, du hast recht.«
Die beiden setzten ihren Weg stumm fort. Irgendwann fielen Pascal seine Freunde wieder ein. »Sollten wir uns nicht mit Daphne, Dominique und Jules in Verbindung setzen?«, fragte er. »Sie machen sich bestimmt Sorgen.«
»Noch nicht«, antwortete Beatrice. »Aber sobald wir den Kronosfelsen erreichen.«
Der erste Reisetag ging zu Ende; ein Teil davon war bereits im Zwischenreich vergangen. Beatrice, die sich bewusst war, dass Lebende schlafen müssen, schlug Pascal eine Rast vor.
»Es ist sehr wichtig, dass du ausgeruht bist«, erklärte sie. »Schließ die Augen und versuche zu schlafen. Ich passe währenddessen auf.«
Tatsächlich war Pascal erschöpft. Er zog eine kleine Decke aus dem Rucksack, breitete sie auf dem Boden aus und richtete sich darin ein.
»Wir haben noch einen langen Weg vor uns«, fügte Beatrice hinzu. »Also, versuch dich auszuruhen.«
»Einverstanden. Aber wenn von irgendwoher Gefahr droht, weck mich«, bat Pascal.
»Natürlich.«
Stille kehrte ein und kurz darauf hörte man nur noch Pascals gleichmäßigen Atem. Mehrere Stunden saß Beatrice wachsam neben ihm. Doch alles blieb ruhig, und als Pascal erwachte, konnten sie ihren Weg problemlos fortsetzen.
Auf dem hügeligen Land, auf dem sie dahinzogen, wucherten zahlreiche Dornbüsche, die so leblos waren wie alles andere hier. Doch bald ging die karge Vegetation in ein Sumpfgebiet über, in dem Schlamm und schwarzes Wasser brodelten.
»Sei vorsichtig«, warnte Beatrice und zeigte auf die Schlammlöcher, die überall zu sehen waren. »Das Schlimmste daran sind weder die Tiefe noch die giftigen Gase, die ihnen entströmen. Halte dich fern davon.«
Ihr Gesicht war plötzlich noch blasser geworden. Erschrocken fragte Pascal sich, was sie wohl damit meinte. »Danke«, brachte er dann mühsam hervor und zog seine Hose hoch, während er genau auf seine Schritte achtete. Vorsichtig setzten sie ihren Weg durch das morastige Gelände fort. Hin und wieder streiften sie die nackten Zweige eines toten Baums, der aus dem feuchten Boden ragte. Schwebende Gase machten ihnen das Atmen schwer. Beatrice bewegte sich über den Grund, als würde sie gleiten, doch aus Rücksicht auf Pascal drosselte sie ihr Tempo. Vor ihnen befanden sich jetzt zwei riesige Schlammflächen, zwischen denen es nur einen schmalen Streifen mit festem Grund gab. Sie mussten dort entlang, eine andere Möglichkeit gab es nicht, doch konnten sie keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zu den schwarzen Flächen einhalten. Hinter sich hörte Pascal plötzlich ein widerwärtiges Glucksen im schlammigen Wasser. Es verursachte ihm Gänsehaut.
»Beatrice, was auch immer dies Geräusch verursacht, es kommt näher«, flüsterte er seiner Führerin zu.
35
DER erste Eindruck, den Jules von der Besucherin hatte, war, dass sie nicht lange um den heißen Brei herumreden würde. Sie hatte außerdem eine beachtliche Verletzung im
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