Puerta Oscura - 01 - Totenreise
lassen. Er hatte nichts zu verlieren; ohne sie zurückzukehren, wäre die Hölle. Auch wenn es ein Gedanke war, der ihm, dem Wanderer, nicht entsprach.
Kurze Zeit später sah Constantin De Polignac die Gestalten von Beatrice und Pascal in der Dunkelheit verschwinden.
»Hoffentlich muss er sich nicht entscheiden«, flüsterte der Graf, den Pascal nicht hatte täuschen können. »Hoffentlich nicht.«
34
ALS DIE ERSTEN Sonnenstrahlen durch das Oberlicht des Dachbodens fielen und die Staubpartikel sichtbar machten, die in der Luft schwebten, öffnete Daphne die Augen. Sie fühlte sich ganz steif. Die lange Nacht war vorüber, der neue Tag brach an, und damit kehrten Sicherheit und Frieden zurück. Der Vampir war nunmehr in seinen Schlupfwinkel zurückgekehrt und hatte seine Suche bis heute Nacht, bis zum Einbruch der nächsten Dunkelheit eingestellt.
Also war es an der Zeit, die Bewachung der Truhe, der Pforte ins Jenseits, zu beenden und sich der Aufgabe zuzuwenden, die nur bei Tageslicht erledigt werden konnte: die Zuflucht des Vampirs zu finden.
Daphne wurde sich der Merkwürdigkeit ihrer Situation bewusst und sie lächelte leise. Nachts versteckten sie und die beiden Jungen sich, während Varney sie suchte, und tagsüber tauschten sie die Rollen und machten sich auf die Jagd nach dem Monster. Wer würde dieses tödliche Spiel gewinnen?
Daphne wälzte sich auf der Matratze, die Jules mit Rücksicht auf ihr Alter auf den Dachboden gebracht hatte.
Die Jungen schliefen in ihren Schlafsäcken auf dem Boden. Jules war erschöpft von den Ereignissen der letzten Nacht und sein Schlaf war unruhig und von Albträumen geplagt. Das war nur zu verständlich.
Daphne tat es leid, die beiden wecken zu müssen, doch es ging nicht anders. Jede Minute zählte.
»Los, Jungs!«, rief sie mit krächzender Stimme. »Wir müssen aufstehen!«
Grummelnd und die Glieder streckend, öffneten Dominique und Jules die Augen. Sobald sie sich jedoch an die letzte Nacht erinnerten, war die Müdigkeit wie weggewischt.
»Wie spät ist es?«, fragte Jules.
»Halb acht«, erwiderte Dominique, der nach seinem Rollstuhl Ausschau hielt. »Also, der Vampir hat die Pforte noch nicht gefunden, stimmt’s? Heute Nacht haben wir keinen Besuch bekommen …«
Daphne wiegte den Kopf. »Das stimmt, aber ich fürchte, es dauert nicht mehr lange, bis wir ihm begegnen werden.«
»Du liebe Zeit.« Jules entschied, dass es noch zu früh war, um Angst zu haben. Er brauchte erst einmal einen Kaffee.
»Was Pascal wohl gerade macht?«, fragte Dominique mit schläfriger Stimme. »Vielleicht hat er ja schon eine Spur von Michelle.«
»Hoffentlich«, meinte Daphne. »Er sollte so schnell wie möglich wieder zurückkommen.«
»Wie lange ist er denn schon dort?«, fragte Jules. »Ich meine, in der Zeit der Toten gerechnet.«
Dominique überschlug die vergangenen Stunden, seit er in die Truhe gestiegen war, um die Zahl dann mit sieben zu multiplizieren. Obwohl das nicht viel nützte; falls Pascal das Zwischenreich bereits verlassen hatte und sich in das Reich des Bösen hineinbewegte, konnte man sich auf die bekannte Zeitrechnung nicht mehr verlassen.
»Jules, du bleibst heute Vormittag am besten zu Hause«, sagte Daphne. »Wir sollten immer ein Auge auf die Pforte haben, um Pascal hier im Diesseits zu empfangen. Dominique und ich versuchen herauszufinden, wo der Vampir sich tagsüber versteckt. Während sie ruhen, sind diese Kreaturen bekanntlich angreifbar, das ist unsere Chance.«
»Einverstanden«, sagte Jules gähnend. »Auch wenn ich euch gerne begleiten würde. Die Jagd nach Vampiren ist ein echter Klassiker.«
»Keine Sorge, dazu wird es noch Gelegenheit geben«, bemerkte Daphne und lächelte Jules zu. »Und haltet eure Handys bereit; wir drei hier müssen jederzeit gegenseitig erreichbar sein. Und was Pascal betrifft: Ich passe auf, falls er sich wieder mit mir in Verbindung setzen will. Wenn er sich längere Zeit nicht melden sollte, werden wir eine spiritistische Sitzung abhalten, um herauszufinden, wie es ihm geht.«
»Beeindruckend«, bemerkte Jules. »Eine spiritistische Sitzung. Das habe ich mir schon immer gewünscht.«
Sie in Gefahr zu wissen, änderte alles.
Er ging zur Truhe hinüber und hob den Deckel. Natürlich waren die geweihten Gegenstände verschwunden.
»Deine Zeremonie war erfolgreich, Daphne«, sagte Jules. »Du hast alles in die andere Welt geschickt.«
***
Michelle, die sich ganz steif fühlte, seufzte. Trotz ihrer
Weitere Kostenlose Bücher