Puerta Oscura - 01 - Totenreise
ihrem Revolver hatte. Fast schüttelte sie über sich selbst den Kopf, wie sie überhaupt auf diesen Blödsinn gekommen war …
Marcel lächelte. Er konnte sich vorstellen, worüber Marguerite gerade nachdachte … Doch um sie zu bestärken, tat er so, als gäbe er sich absolut geschlagen. Als Marguerite auf dem Dachboden aufgetaucht war, hatte der Vampir schließlich sein menschliches Antlitz fast vollständig wieder angenommen. Das einzige ungelöste Problem waren die Fingerabdrücke des Leichnams, die auf Luc Gautier verwiesen und so erneut auf den übernatürlichen Charakter dieses Falles. Hinzu kam, dass sie auch seine eigene Tarnung auffliegen lassen konnten. Er musste unbedingt dafür sorgen, dass sich niemand an dem Leichnam des Vampirs zu schaffen machte, bis er sich selbst darum kümmern konnte.
»Meine Fantasie ist mit mir durchgegangen«, fügte er unschuldig hinzu. »Das ist alles.«
Marguerite nickte zufrieden.
»Es genügt mir, wenn du deine verrückten Ideen zu den Akten legst und Ferien machst, sobald der Fall endgültig abgeschlossen ist.«
»Schon gut. Aber versprich mir vorher, dass niemand Varneys Leichnam anrührt und ich die Autopsie vornehmen kann. Versteh das bitte, es ist etwas Persönliches. Ich will diesen Mistkerl, der mich verletzt und so viele andere Menschen getötet hat, selbst auseinandernehmen.«
Marguerite zuckte mit den Schultern.
»Von mir aus. Er ist tot, also wird er sich kaum beschweren.«
Marcel musste über diesen offenkundigen Irrtum seiner Freundin lächeln. Varney konnte sich wohl »beschweren«. Untotes floss noch immer durch seine Adern und ein Monster versteckte sich in diesem reglosen Körper, der nur eine Hülle für ihn war. Auch deshalb war diese letzte Bitte von äußerster Wichtigkeit. Man musste dem Vampir einen Holzpflock durchs Herz stoßen, bevor er sich von den Schusswunden der Silberkugeln wieder erholte.
Zumindest würde niemand die Kugeln entfernen, bis Marcel seine Aufgabe erledigt hätte. Mit seiner Tätigkeit als Gerichtsmediziner hatte das allerdings nicht mehr viel zu tun.
***
Die Gefahr war vorüber. Die schwarze Wolke war weitergezogen und verschwand am Horizont im fauligen Ausstoß der Kraterfontänen. Beatrice machte Pascal ein Zeichen, dass er ihr Versteck verlassen und wieder nach oben klettern sollte. Kurze Zeit später marschierten beide zügig über die Ebene.
Es dauerte nicht lange, bis sie etwas entdeckten, das Pascal Herzklopfen verursachte: Licht. Winzige, schwach schimmernde Punkte, die sich weit entfernt von ihnen fortbewegten. Pascal vermochte nicht zu sagen, was das war, aber Beatrice.
»Fackeln! Das sind Fackeln!«, stellte sie fest und blickte angestrengt weiter in die Richtung der Lichtpunkte. »Irgendwas oder irgendwer ist dort unterwegs.«
»Dann …« Pascal wagte nicht, es auszusprechen. Er wollte sich keine falschen Hoffnungen machen. Konnte es denn wirklich wahr sein, dass sie kurz vor dem Ziel waren?
»Ja, wir haben es beinahe geschafft«, stellte Beatrice fest, als hätte er die Frage laut gestellt.
»Das da kann nur so etwas wie … eine Karawane sein. Und sie marschiert auf das Böse zu. Das sind bestimmt die Entführer von Michelle.« Ihre Stimme überschlug sich vor Freude und Erleichterung.
Pascal schluckte. »Und was jetzt?«, fragte er. Die Stunde, die er sich immer und immer wieder vorgestellt hatte, war also nun gekommen; das Wiedersehen mit seiner Freundin – es stand bevor … und es machte ihn hilflos …
»Erst einmal müssen wir uns beruhigen«, empfahl Beatrice, ohne das ferne Blinken der Fackeln aus den Augen zu lassen. »Wir dürfen jetzt keinen Fehler machen.«
»Einverstanden.«
»Wir sollten vor allem näher ran«, schlug sie vor, »um ganz sicherzugehen, dass Michelle wirklich bei ihnen ist, und um herauszufinden, wie wir sie befreien können.«
»Ja, gut«, stimmte Pascal zu. »Aber wir müssen äußerst vorsichtig sein, dass sie uns nicht bemerken. Sonst ist alles verloren!«
»Genau. Übrigens …«
»Was ist?«
Beatrice blickte ihn ernst an: »Eines will ich dir noch sagen: Wenn alles gelingt und du deiner Freundin bald gegenüberstehst«, sie räusperte sich, ehe sie weitersprach, »dann … Dann fühle dich in deinem Handeln frei.«
Pascal nickte.
»Danke, Beatrice. Ist es so einfach, meine Gedanken zu lesen?«
Sie lächelte.
»Extreme Erfahrungen sind eben so; man lernt in kürzester Zeit eine Unmenge dazu. Wir haben viel gemeinsam durchgemacht, es ist, als würden
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