Puerta Oscura - 01 - Totenreise
nahm sie den Dachboden in Augenschein, der von der Polizei durchsucht worden war. Natürlich ignorierte sie die Absperrung, die während der laufenden Ermittlungen den Zutritt verbot – im Übrigen auch verhindern würde, dass jemand von Jules’ Familie heraufkam und sie neben der mittelalterlichen Truhe überraschte.
»Immerhin etwas«, sagte sie sich und hoffte, dass auch kein Polizist plötzlich hier auftauchte.
Sie betrachtete die riesige Truhe und musste trotz ihrer Anspannung lächeln. Sie dachte an die vielen Menschen, die letzte Nacht ganz in der Nähe der Pforte gewesen waren … ohne von ihrer wahren Bedeutung etwas zu ahnen. Das war der beste Schutz für den Übergang in die andere Welt; ein harmloses, unauffälliges Versteck.
Nur der Wächter hatte davon gewusst. Daphne konnte sein unerwartetes Auftauchen noch immer nicht glauben. Es handelte sich um eine geheime Bruderschaft, so geheim, dass selbst von jenen, die mit dem Übersinnlichen vertraut waren, viele meinten, dass es sich nur um einen Mythos handelte, eine Legende. Doch die Wirklichkeit hatte das Gegenteil gezeigt.
Daphne blickte auf ihre Uhr. Es war schon Mittag und es gab noch immer kein Lebenszeichen von Pascal. Dominique hatte von seinem Handy aus bereits eine Nachricht an Pascals Eltern geschickt, um Zeit zu gewinnen. Doch wenn er bis zum Abend nicht auftauchte, würde sich die Familie nicht mehr mit Anrufen von Dominique zufriedengeben.
Was Daphne allerdings am meisten beschäftigte, war Pascals Schweigen. Warum setzte er sich nicht mit ihnen in Verbindung? Sie hatte es von sich aus versucht, doch er musste so weit weg sein, dass ihre Energie nicht ausreichte, um zu ihm durchzudringen.
Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als abzuwarten.
***
Sie kamen nur langsam voran, versteckten sich immer wieder, vergewisserten sich, dass sie tatsächlich allein waren und dass die Mönchsskelette ihre Suche weit entfernt von ihnen fortsetzten. Aber wer sagte, dass diese die Einzigen hier waren, die ihnen gefährlich werden konnten? Obwohl sich um sie herum nichts regte, durften sie nicht vergessen, dass sie sich auf feindlichem Gebiet befanden. Sie waren eine ausgesprochen attraktive Beute.
Und jetzt, wo sie in der entgegengesetzten Richtung gingen, die der durchsichtige Stein anzeigte, lähmte die Anziehungskraft des Bösen ihre Schritte wie das zurückströmende Wasser einer starken Brandung.
Obwohl er am Anfang nicht ganz sicher war, erkannte Pascal bald die Senke, die er und Beatrice als Treffpunkt vereinbart hatten. Er hoffte, dass ihr in der Zwischenzeit nichts zugestoßen war.
»Da ist es«, sagte er und zeigte mit dem Finger darauf, »rasch.«
Michelle und Marc gehorchten und ließen sich nacheinander den kurzen Abhang hinunterrutschen.
Beatrice, die unten auf sie wartete, konnte ihre Erleichterung nicht verbergen.
»Endlich!«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Ihr habt aber lange gebraucht, ich hab mir schon schreckliche Sorgen gemacht.«
Pascal zeigte sich ebenfalls erleichtert.
»Die Skelette haben lange nach uns gesucht«, verteidigte er sich. »Wie ist es dir ergangen?«
»Ebenfalls schwieriger, als ich gedacht hatte«, gestand sie. »Diese Monster geben wirklich nicht so leicht auf. Ich dachte, sie würden früher von mir ablassen, ich musste ganz schön weit rennen.«
»Umso besser, damit hast du uns ein wenig Luft verschafft.« Er lächelte.
»Ja, alles hat seine Vorteile«, gab sie ebenfalls mit einem Lächeln zurück.
Doch nun wurde Pascal ernst. »Beatrice«, sagte er mit bewegter Stimme, »ich danke dir, dass du dies Wagnis auf dich genommen hast. Ich war mir sicher, dass du es schaffst, aber hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, erst recht nicht hier in der Welt der Finsternis.«
»Schon gut«, erwiderte Beatrice. »Ich habe es gern getan.«
Michelle betrachtete das Mädchen, das so mutig gehandelt hatte. Sie war ihr unendlich dankbar, dass sie ihr Leben für sie aufs Spiel gesetzt hatte.
Pascal drehte sich zu ihr um.
»Michelle, noch einmal: Das ist Beatrice. Ihr hast du es zu verdanken, dass ich bis hierher gelangt bin. Ohne ihre Hilfe hätte ich es nicht geschafft.«
»Vielen, vielen Dank«, sagte Michelle. »Das kann ich nie wieder gutmachen.« Und sie trat auf das Mädchen zu und küsste es auf die Wange.
»Und das ist Marc«, fuhr Pascal fort. »Er war auch ein Gefangener der Skelette. Wir haben ihn mitgenommen. Das war zwar nicht vorgesehen, aber …«
Beatrice beugte sich zu ihm
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