Puerta Oscura - 01 - Totenreise
Marcel ignorierte es.
Erneut setzte er den Pflock auf die Brust des Ungeheuers und ließ, ein Gebet murmelnd, den Holzhammer niedersausen. Der Pflock drang tief in den Körper des Vampirs ein, und er bäumte sich so heftig auf, dass seine Wirbel krachten. Davon würde die Kreatur sich nicht mehr erholen. Marcel wich keinen Zentimeter zurück. Er war der Wächter der Pforte, und dieses Wesen aus der Hölle durfte nie wieder zu einer ernsthaften Gefahr werden. Erneut schlug er zu, und der Pflock traf das Herz des Vampirs. Seine zuckenden Bewegungen wurden schwächer, bis sein Körper mit dem wie ein Mast aufragenden Pflock reglos dalag.
Und nun wohnte der Mediziner einer ungewöhnlichen Transformation bei: Varneys Leichnam verwandelte sich in einen anderen Toten.
»Luc Gautier, nehme ich an«, sagte Marcel mit sarkastischem Unterton. »Sehr erfreut.«
Er musste an den echten Alfred Varney denken, der nur deshalb ermordet worden war, um seine Identität zu übernehmen. Wer weiß, was der Vampir mit seiner Leiche gemacht hatte.
Marcel übernahm nun den zweiten Teil des Rituals. Er musste den Leichnam enthaupten, was er mit dem entsprechenden Instrument tat.
Minuten später schleppte er unter Schwindel und Schmerzen den verstümmelten Vampir aus dem Kühlraum.
Im Obduktionssaal lehnte er ihn an die Wand. Er musste erst feststellen, ob die Luft rein war, bevor er mit seiner Last hinausging.
Er wollte ihn zu einem nahe gelegenen Krematorium bringen, um den letzten notwendigen Schritt zu vollziehen: die Einäscherung.
Niemand hinderte ihn daran.
**
Michelle und Pascal war klar, dass sie jetzt keine Zeit für Erklärungen hatten. Wenn sie erst in Sicherheit waren, konnten sie in aller Ruhe miteinander reden.
»Ich habe euch nach dem ersten Schreck noch weglaufen sehen, kurz bevor die Dunkelheit euch dann verschluckte«, sagte Pascal, um zumindest sein unmittelbares Auftauchen hier zu erklären. »Das war wirklich Glück, weil es sonst unmöglich gewesen wäre, euch zu finden. Ich bin euch gefolgt, bis zu diesem Versteck in den Felsen, aber da kamen schon die Skelette und ich musste mich ebenfalls verbergen. Wenn sie euch entdeckt hätten, hätte ich mich natürlich einschalten müssen. Zum Glück war das nicht nötig.«
Michelle nickte überrascht. War dieser energische Junge wirklich Pascal? Hätte er sich ihretwegen diesen Monstern tatsächlich entgegengestellt? Und überhaupt … dass er gekommen war, um sie hier in dieser Welt zu suchen. Sie sah auf das Schwert, das an Pascals Taille hing. Natürlich, es war jetzt keine Zeit, aber Michelle wollte ihn tausend Sachen fragen: Wo sie waren, ob alles nur ein Albtraum war oder diese Mönche wirklich existierten. Doch sie stellte nur eine Frage: »Bist du allein gekommen?«
Pascal schüttelte den Kopf.
»Nein«, antwortete er. »Beatrice hat mich hierhergeführt; ihr werdet sie gleich kennenlernen. Wir haben uns nicht weit von hier verabredet. Kommt, verlieren wir keine Zeit.«
Michelle nickte, und während Pascal voranging, spürte er auf einmal das Amulett auf seiner Brust. Es war kalt, was bedeutete, dass das Böse ganz in der Nähe war. Wie immer.
»Das ist Marc«, sagte Michelle nun, um auch ihren Begleiter vorzustellen, und zeigte auf den Jungen. »Sie haben ihn ebenfalls verschleppt. Er kommt mit uns … Es macht dir doch nichts aus, oder?«
Pascal lächelte verkrampft. Eine weitere Person, für die er Verantwortung übernehmen sollte. Konnte er das überhaupt leisten, in dieser feindlichen Welt?
Michelle las seine Gedanken.
»Sollte ich ihn zurücklassen?«, rechtfertigte sie sich und sah ihn dabei an. »Sie hätten uns beide getötet. Bestimmt.«
Pascals besorgte Miene änderte sich nicht, doch er war unfähig, etwas einzuwenden. So trat er zu Marc und zückte sein Schwert.
»Keine Angst«, sagte er, als der Junge erschrocken zurückwich. »Ich befreie dich von deinen Fesseln.«
Marc schloss die Augen und mit einem Hieb fielen die Ketten von ihm ab. Er trat beiseite, rieb sich die Arme, die ganz taub waren, und murmelte ein leises »Danke schön«.
»Gehen wir«, sagte Pascal knapp und blickte Michelle an. »Schnell.«
Sie lächelte dankbar und wandte sich an Marc. »Wir brechen auf, Kleiner. Bist du bereit?«
»Ja.«
»Wir müssen leise sein«, mahnte Pascal, während er seinen Talisman betastete, der noch immer kalt war. »Oder wir werden dafür bezahlen.«
* **
Daphne hatte das Krankenhaus so schnell wie möglich verlas sen. Kurz darauf
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